Die Hyperion-Gesänge
seufzte König Billy, dessen Gesicht zu noch tieferen Wülsten schmolz. »Ein Geheimnis. Die seltsame Umgebung, die für kreative Geister so notwendig ist. Eine perfekte Mischung aus klassischem Utopia und heidnischem Geheimnis.«
Ich zuckte unbeeindruckt mit den Achseln.
Der Traurige König Billy winkte das Holo weg. »Ist Ihre D-d-dichtkunst be-be-besser geworden?«
Ich verschränkte die Arme und betrachtete den königlichen Glibberzwerg. »Nein.«
»Ist Ihre M-m-muse zurückgekehrt?«
Ich sagte nichts. Wenn Blicke töten könnten, hätten wir alle vor Einbruch der Nacht »Der König ist tot, es lebe der König!« gerufen.
»Nun gu-gu-gut«, sagte er und demonstrierte, dass er nicht nur grenzenlos traurig, sondern auch unerträglich verschmitzt aussehen konnte. »Pa-pa-packen Sie Ihre Sa-sa-sachen, mein Junge. Wir reisen nach Hyperion.«
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Die fünf Saatschiffe des Traurigen Königs Billy schweben wie goldene Pusteblumen über einem lapislazulifarbenen Himmel. Weiße Städte erheben sich auf drei Kontinenten:
Keats, Endymion, Port Romance, die Stadt der Dichter selbst. Mehr als achttausend Pilger der Kunst wollen der Tyrannei des Mittelmäßigen entrinnen und suchen nach einer Erneuerung ihrer Vision auf dieser grob geflickschusterten Welt.
Asquith und Windsor-im-Exil waren im Jahrhundert nach der Hegira ein Zentrum der Androidenbiofabrikation gewesen, und nun schufteten die blauhäutigen Freunde der Menschen mit der Gewissheit, dass sie endlich frei sein würden, wenn diese Schufterei beendet war. Die weißen Städte wuchsen. Die Eingeborenen, die es satt hatten, die Wilden zu spielen, kamen aus ihren Dörfern und Wäldern und halfen uns, die Kolonie nach menschengemäßeren Richtlinien neu zu gestalten. Die Technokraten und Bürokraten und Ökokraten wurden aufgetaut und auf diese ahnungslose Welt losgelassen, und der Traum des Traurigen Königs Billy näherte sich einen weiteren Schritt seiner Vollendung.
Als wir auf Hyperion ankamen, war General Horace Glennon-Height tot, seine kurze, grausame Meuterei niedergeschlagen, aber es gab kein Zurück.
Einige der radikaleren Künstler und Künstlerinnen verschmähten die Stadt der Dichter und fristeten ein armseliges, aber kreatives Leben in Jacktown oder Port Romance oder gar den neuen Grenzbezirken, doch ich blieb.
In den ersten Jahren fand ich keine Muse auf Hyperion. Für viele führten die Abgeschiedenheit aufgrund mangelnder Transportmittel – EMVs waren unzuverlässig, Gleiter äußerst selten – und das geschrumpfte künstliche Bewusstsein aufgrund des Fehlens einer Datensphäre, keines Zugangs zum All-Wesen und nur eines einzigen Fatlinesenders zu einer Erneuerung kreativer Energien und einer neuen Erkenntnis, was es hieß, Mensch und Künstler zu sein.
Hatte ich gehört.
Keine Muse kam. Meine Verse waren weiterhin technisch versiert – und so tot wie die Katze von Huck Finn.
Ich beschloss, Selbstmord zu begehen.
Aber vorher verbrachte ich einige Zeit, mindestens neun Jahre, damit, einen Dienst an der Gemeinschaft zu tun, indem ich etwas beisteuerte, woran es Hyperion gebrach: Dekadenz.
Von einem Biobildhauer mit dem angemessenen Namen Graumann Hacket ließ ich mir die haarigen Flanken, Hufe und Bocksbeine eines Satyrs anfertigen. Ich ließ meinen Bart wachsen und die Ohren verlängern. Graumann nahm auch interessante Veränderungen an meinen Geschlechtsorganen vor. Das sprach sich herum. Bauernmädchen, Eingeborene, die Frauen unserer blauen Städtebauer und Pioniere – alle warteten auf einen Besuch von Hyperions einzigem ansässigem Satyrn oder arrangierten selbst einen. Ich lernte, was »Dauererektion« und »Satyriasis« wirklich bedeuteten. Abgesehen von der endlosen Serie sexueller Wettbewerbe wurden meine Zechgelage legendär, und mein Vokabular näherte sich wieder den alten Zeiten nach dem Schlag an.
Es war verdammt toll. Es war die Hölle.
Und in der Nacht, als ich beschloss, mir das Gehirn wegzupusten, tauchte Grendel auf.
Notizen für eine Skizze des uns heimsuchenden Monsters:
Unsere schlimmsten Alpträume sind zum Leben erwacht. Etwas Böses scheut das Licht. Schatten von Morbius und dem Krell. Lass das Feuer hell lodern, Mutter, Grendel kommt heut Nacht.
Zuerst denken wir, die Vermissten sind einfach abwesend; auf den Mauern unserer Stadt stehen keine Wachtposten, und eigentlich gibt es keine Mauern, und an den Türen unserer Methalle stehen auch keine Krieger. Dann meldet ein Mann, dass seine
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