Die Hyperion-Gesänge
zu bewerkstelligen, wandte mich dem kräftigen Kinn zu und schraffierte die Stelle unter der Unterlippe.
Hunt runzelte die Stirn und sah die Präsidentin an. M. Gladstone presste wieder die Fingerspitzen zusammen. »Erklären Sie mir das«, sagte sie.
Ich sah von der Zeichnung auf. »Ich träume«, sagte ich. »Die Geschehnisse in diesen Träumen entsprechen offenbar den Ereignissen, die sich in der Umgebung der Person abspielen, die das Implantat der vorherigen Keats-Persönlichkeit in sich trägt.«
»Eine Frau namens Brawne Lamia«, sagte Leigh Hunt.
»Ja.«
Gladstone nickte. »Demnach ist die ursprüngliche Keats-Persönlichkeit, die wir auf Lusus getötet wähnten, noch am Leben?«
Ich zögerte. »Sie … er ist noch bei Bewusstsein«, sagte ich.
»Sie wissen, das primäre Persönlichkeitssubstrat wurde wahrscheinlich von dem Cybrid selbst aus dem Core abgezogen und in eine Schrön-Schleife mit Biostecker implantiert, die M. Lamia trägt.«
»Ja, ja«, sagte Leigh Hunt. »Aber Tatsache ist, Sie stehen in Verbindung mit der Keats-Persönlichkeit – und durch sie mit den Pilgern zum Shrike.«
Rasche, dunkle Striche bildeten einen Hintergrund, der der Skizze von Gladstone mehr Tiefe verlieh. »Eigentlich stehe ich nicht mit ihr in Verbindung«, sagte ich. »Ich träume von Hyperion, und Ihre Fatlinesendungen haben ergeben, dass diese Träume den Echtzeit-Geschehnissen entsprechen. Ich kann nicht mit der passiven Keats-Persönlichkeit kommunizieren, auch nicht mit ihrem Träger oder den anderen Pilgern.«
Präsidentin Gladstone blinzelte. »Woher wissen Sie von den Fatlinesendungen?«
»Der Konsul hat den anderen Pilgern von der Fähigkeit seines Komlogs erzählt, als Relais für den Fatlinesender an Bord seines Schiffes zu fungieren. Er hat es ihnen kurz vor dem Aufbruch ins Tal gesagt.«
Gladstones Tonfall deutete darauf hin, dass sie jahrelang als Anwältin gearbeitet hatte, bevor sie in die Politik gegangen war. »Und wie haben die anderen auf die Enthüllung des Konsuls reagiert?«
Ich steckte den Bleistift wieder in die Tasche. »Sie wussten, dass sie einen Spion in ihrer Mitte haben«, sagte ich. »Sie selbst haben es jedem Einzelnen gesagt.«
Gladstone sah ihren Attaché an. Hunts Gesicht war ausdruckslos. »Wenn Sie mit ihnen in Verbindung stehen«, sagte sie, »müssen Sie wissen, dass wir keine Nachricht mehr von ihnen erhalten haben, seit sie das Chronos Keep verlassen haben und zu den Zeitgräbern aufgebrochen sind.«
Ich schüttelte den Kopf. »Der Traum heute Nacht hat aufgehört, als sie sich gerade dem Tal genähert haben.«
Meina Gladstone stand auf, ging zum Fenster und hob eine Hand; das Bild wurde schwarz. »Also wissen Sie nicht, ob sie noch am Leben sind?«
»Nein.«
»Wie war ihr Zustand, als Sie das letzte Mal … geträumt haben?«
Hunt sah mich so durchdringend wie immer an. Meina Gladstone betrachtete den dunklen Schirm und hatte uns den Rücken zugedreht. »Alle Pilger waren noch am Leben«, sagte ich, »mit der möglichen Ausnahme von Het Masteen, der Wahren Stimme des Baums.«
»Er war tot?«, fragte Hunt.
»Er verschwand zwei Nächte zuvor von dem Windwagen, nachdem die Ousters wenige Stunden vorher das Baumschiff Yggdrasil vernichtet hatten. Aber kurz bevor die Pilger vom Chronos Keep herabgestiegen sind, haben sie eine Gestalt in Robe gesehen, die über den Sand zu den Gräbern unterwegs war.«
»Het Masteen?«, fragte Gladstone.
Ich hob die Hand. »Sie haben es vermutet. Sicher waren sie nicht.«
»Erzählen Sie mir von den anderen«, sagte die Präsidentin.
Ich holte tief Luft. Ich wusste aus den Träumen, dass Gladstone mindestens zwei Mitglieder der letzten Pilgerfahrt zum Shrike persönlich gekannt hatte: Brawne Lamias Vater war ein befreundeter Senator gewesen, der Konsul der Hegemonie ihr persönlicher Repräsentant bei geheimen Verhandlungen mit den Ousters. »Pater Hoyt leidet große Schmerzen«, sagte ich. »Er hat die Geschichte der Kruziform erzählt. Der Konsul hat herausgefunden, dass Hoyt ebenfalls eine trägt – eigentlich zwei, die von Pater Duré und seine eigene.«
Gladstone nickte. »Er trägt demnach den Auferstehungsparasiten noch an sich?«
»Ja.«
»Bereitet er ihm mehr Schmerzen, während er sich dem Gehege des Shrike nähert?«
»Ich glaube ja«, sagte ich.
»Weiter.«
»Silenus, der Dichter, ist fast ständig betrunken. Er ist überzeugt, dass sein unvollendetes Gedicht den Lauf der Ereignisse vorhersagte und ihn
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