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Die Hyperion-Gesänge

Die Hyperion-Gesänge

Titel: Die Hyperion-Gesänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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und ihre besudelte Kleidung wechseln, aber vielleicht waren die fürsorglichen Helfer vor der Kriegsgefahr geflohen.
    Schritte hallten auf der Treppe. Ich machte die Tür zu und lief zwei weitere Treppen hinauf. Verschlossene Türen oder verlassene Zimmer, in denen Wasser aus offenliegenden Leitungen tropfte und Pfützen bildete. Leere Flashbackinjektoren lagen verstreut herum wie Tetrapacks. Keine bessere Gegend, dachte ich.
    Ich erreichte das Dach zehn Schritte vor der Meute. Den hirnlosen Eifer, den der Mob durch die Trennung von ihrem Guru eingebüßt hatte, machte die dunkle und beengte Umgebung des Treppenhauses wett. Sie hatten vielleicht vergessen, warum sie mich jagten, aber deshalb büßte der Gedanke, mich zu erwischen, nichts von seiner Faszination ein.
    Ich schlug die windschiefe Tür hinter mir zu, suchte nach einem Schloss, einer Barrikade, irgendetwas. Da war kein Schloss. Nichts, das groß genug gewesen wäre, den Eingang zu versperren. Eilige Schritte polterten die letzte Treppenflucht herauf.
    Ich sah mich auf dem Dach um: Miniaturparabolantennen wuchsen wie umgekehrte rostige Stockschwämmchen; eine
Wäscheleine, die aussah, als wäre sie schon vor Jahren vergessen worden; die verwesten Kadaver von einem Dutzend Tauben; ein uraltes Vikken Scenic.
    Ich schaffte es bis zu dem EMV, bevor die ersten von dem Mob durch die Tür gestürmt kamen. Das Ding war ein Museumsstück. Schmutz und Taubendreck machten die Windschutzscheibe fast undurchsichtig. Jemand hatte die serienmäßigen Abstoßdüsen entfernt und durch aufgemotzte Schwarzmarkteinheiten ersetzt, die nie durch eine Inspektion gekommen wären. Der Perspexbaldachin war hinten verschmort und schwarz, als hätte ihn jemand mit einer Laserwaffe als Zielscheibe benützt.
    Im Augenblick war jedoch viel wichtiger, dass es kein Handflächenschloss besaß, sondern lediglich ein uraltes Schlüsselloch, das schon vor langer Zeit aufgebrochen worden war. Ich warf mich auf den staubigen Sitz und versuchte, die Tür zuzuschlagen; sie rastete nicht ein, sondern blieb halb offen hängen. Ich stellte keine Spekulationen über die unwahrscheinliche Möglichkeit an, dass das Ding anspringen würde, auch nicht über die noch geringere Wahrscheinlichkeit, ich könnte vernünftig mit dem Mob reden, wenn mich die Leute hinaus und nach unten zerrten – falls sie mich nicht einfach vom Dach des Gebäudes warfen. Ich hörte das gellende Schreien, mit dem sich der Mob unten auf dem Platz in Raserei brüllte.
    Die ersten auf dem Dach waren ein vierschrötiger Mann im Khaki-Overall, ein schlanker Mann im mattschwarzen Anzug, wie er auf Tau Ceti Center gerade der letzte Schrei war, eine ungeheuer dicke Frau, die einen langen Schraubenschlüssel schwang und ein kleiner Mann im Grün der Selbstschutzstaffel von Renaissance V.
    Ich hielt die Tür mit der linken Hand zu und führte Gladstones Befugnismikrocard in den Zünddiskey ein. Die Batterie heulte, der Anlasser knirschte sich einen ab, und ich schloss
die Augen und wünschte mir, die Energieversorgung würde solarbetrieben und selbstreparierend sein.
    Fäuste hämmerten aufs Dach, Hände schlugen gegen das gekrümmte Perspex vor meinem Gesicht, und jemand zerrte die Tür auf, obwohl ich mir alle Mühe gab, sie geschlossen zu halten. Das Brüllen der fernen Menge glich dem Hintergrundgeräusch, das eine Brandung erzeugt; das Kreischen der Gruppe auf dem Dach war wie die Schreie zu groß geratener Möwen.
    Die Schwebschaltkreise funktionierten, Schubdüsen fegten Staub und Taubendreck über die Bande auf dem Dach, und ich führte die Hand in die Omnikontrolle ein, schaltete zurück und nach rechts und spürte, wie das alte Scenic abhob, trudelte, aufsetzte und wieder abhob.
    Ich steuerte direkt über den Platz und bekam nur am Rande mit, dass die Alarmsignale am Armaturenbrett klingelten und immer noch jemand an der offenen Tür baumelte. Ich ging im Sturzflug nach unten und lächelte unwillkürlich, als ich sah, wie Reynolds, der Wortführer des Shrike-Kults, sich duckte und die Menge auseinanderstob, dann zog ich über dem Springbrunnen hoch und kippte scharf nach links.
    Mein kreischender Passagier ließ die Tür nicht los, aber die Tür fiel ab und die Wirkung war dieselbe. Ich stellte fest, dass es die dicke Frau gewesen war, die einen Augenblick später samt Tür acht Meter tiefer ins Wasser fiel und Reynolds und die Menge nassspritzte. Ich zog das EMV höher und hörte, wie die Schwebeinheiten vom Schwarzmarkt auf

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