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Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Geräuschen und seltsamen Lauten. Sie bezwang ihre Angst für den Augenblick, aber sie betete für einen baldigen Morgen. Die Zeit verstrich quälend langsam.
    Plötzlich hörte sie etwas, das vertraut klang. Sie spitzte die Ohren - tatsächlich, es war ein Singvogel, vielleicht eine Drossel, die den herannahenden Morgen begrüßte. Marguerite hatte sich selten über etwas so sehr gefreut wie über diesen frühen Sänger.
    Die Dämmerung setzte ein und immer mehr Vogelgesang war zu hören. Es waren die ersten Vögel, die sie auf der Insel vernahm - am Vortag hatte sie lang geschlafen und tagsüber hatte sie gar keine Vögel - von den Möwen einmal abgesehen - gehört. Vielleicht hatte sie auch nur einfach nicht darauf geachtet, doch jetzt lauschte sie.
    Die zahlreichen hellen Vogelstimmen verdrängten die Geräusche der Nacht und selbst die Geisterstimme schien verstummt. Marguerite lief barfuß hinaus auf die Wiese. Die Nacht war überstanden und ein neuer Tag angebrochen - und der neue Tag verhieß neue Hoffnung!
    »Was würde ich für ein ofenfrisches, warmes Weißbrot geben«, seufzte Marguerite, als sie wieder einmal bei trockenem Zwieback und Bachwasser im Gras beisammensaßen.
    »Sobald hier die erste Bäckerei eröffnet, werde ich dir umgehend eins besorgen, Lämmchen«, sagte Damienne.
    Bei allen Scherzen war das Essen doch ihre größte Sorge. Bis jetzt gab es zu jeder Mahlzeit entweder Zwieback oder Fisch oder auch mal beides. Aber der Zwieback würde nicht ewig vorhalten und ungewürzten Fisch zum Frühstück würden sie auf Dauer nicht ertragen können.
    »Wir müssen in den Wald, jagen«, erklärte Henri deshalb noch einmal.
    »Können wir nicht Seevögel schießen?«, fragte Marguerite.
    »Ohne Flintenschrot werden wir da wenig Glück haben. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, daß Möwen besonders gut schmecken«, sagte Henri. »Jedenfalls habe ich noch nie gehört, daß Möwen gegessen werden.«
    »Noch ein paar Tage Fisch, und ich werde sogar eine rohe Möwe mit Vergnügen essen!«, sagte Damienne.
    Marguerite war immer noch nicht wohl bei dem Gedanken, in den dichten Urwald vorzudringen, aber es mußte wohl sein.
    »Vorher bringst du uns aber das Schießen bei, nicht wahr?«
    »Ich kann euch das wohl nicht ausreden, wie?«, seufzte Henri.
    »Nein, das kannst du nicht.«
    »Nun gut, dann wollen wir keine Zeit verschwenden und gleich beginnen.«
    Doch Damienne durchkreuzte ihre Pläne.
    »Ich schlage vor, daß wir zuerst noch ein paar Forellen für das Mittagessen fangen und Feuerholz sammeln«, meinte sie. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«
    Immerhin begannen sie noch vor dem Mittagessen mit dem Schießunterricht. Es war nicht halb so lustig, wie Marguerite es sich erhofft hatte. Henri ließ sie nicht etwa sofort schießen, sondern erklärte ihnen zunächst die Einzelheiten der Waffe. Er zeigte ihnen, wie man sie auf dem Marsch trug und wie man das empfindliche Luntenschloss am besten vor Nässe schützte.
    »Damit da kein Irrtum entsteht: Wenn ihr das Schloß abdeckt, reicht das bei Nebel oder leichtem Nieselregen, aber wenn es richtig schüttet, hilft das auch nicht mehr. Wenn die Lunte oder die Pfanne naß werden, ist es aus mit der Schießerei - dann sind die Büchsen gefährlicher, wenn ihr sie werft.«
    »Aber im Moment ist das schönste Wetter«, sagte Marguerite, »das sollten wir ausnutzen.«
    »Du kommst schon noch zu deinem Schuß, Marguerite, keine Sorge.«
    »Genau, immer mit der Ruhe«, sagte Damienne, die ihre Waffe mit viel Respekt behandelte. Sie hatte immer noch einen blauen Fleck dort, wo ihr die Arkebuse in der ersten Nacht den Schlag versetzt hatte. Die Normannin sah zwar ein, daß sie das Schießen erlernen mußte, aber so richtig wohl war ihr bei dem Gedanken auf einmal doch nicht mehr.
    Henri hingegen war in seinem Element. Marguerite erlebte ihn das erste Mal in seiner Rolle als Offizier, und es gefiel ihr zu sehen, wie souverän er sein Fach beherrschte. In den vergangenen Tagen hatte er oft so verunsichert gewirkt, doch jetzt blühte er regelrecht auf. Er zeigte seinen beiden Rekrutinnen, wie man die Waffe reinigte und wie man sie lud, wie man das Pulver auf die Zündpfanne gab und wieviel Pulver in den Lauf durfte. Erst ganz zum Schluß kam die Kugel hinzu, die mit dem eisernen Ladestock in die Waffe gedrückt wurde.
    Dann legten sie eine Pause ein und aßen zu Mittag. Sie hielten sich nicht lange damit auf, denn vor allem Marguerite platzte fast vor Ungeduld.

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