Die Insel der Dämonen
einige Meter daneben im Hang eine Räucherhütte an. So konnten sie Fleisch und Fisch für den Winter trocknen und genießbar halten - auch wenn sie jeden Abend dafür beteten, daß sie diesen Winter nicht mehr auf der Insel würden erleben müssen.
Henri war jede freie Minute oben auf dem Signalhügel und hielt Ausschau - vergeblich. Marguerite machte sich Sorgen um ihn. Er wurde immer stiller und zog sich von ihr zurück. Abends, wenn sie beieinanderlagen, fragte sie ihn - wenn sie den Mut fand -, was ihn bedrückte. Aber Henri antwortete auf solche Fragen nicht. Er war auch nur noch selten zärtlich, und wenn er mit ihr schlief, war es nicht so schön wie früher, es schien eher so zu sein, daß er sich verzweifelt an sie klammerte.
Marguerite war in solchen Nächten immer besonders traurig. Sie spürte: Je mehr sie das Leben auf dieser verfluchten Insel in den Griff bekamen, desto weiter entfernte sie sich von Henri - und er sich von ihr.
Und da war noch etwas. Marguerite spürte, daß etwas nicht stimmte, irgend etwas war anders als früher. Wie so oft war es zunächst nur ein unbestimmtes Gefühl und sie konnte es beim besten Willen nicht in Worte fassen. Nach dem Frühstück sprach sie mit Damienne darüber.
»Hast du auch so ein komisches Gefühl?«, fragte sie.
»Gefühl? Nein, ich habe nur noch etwas Hunger, aber ich werde gleich noch etwas von dem köstlichen Dämonenhuhn von gestern nehmen, dann dürfte sich das geben.«
»Damienne, das meine ich nicht«, schimpfte Marguerite.
»So? Was meinst du denn, Lämmchen?«
»Das weiß ich eben nicht, es ist nur ein Gefühl, daß etwas nicht stimmt, schon seit ein paar Tagen.«
»Vielleicht ein Wetterumschwung. Ich hatte ein Ziehen in den
Knochen letzte Nacht. Dann regnet es meistens. Aber jetzt hilf mir, den Boden der Hütte ordentlich festzustampfen, vielleicht müssen wir bald umziehen.«
Doch es gab keinen Regen.
Am nächsten Tag ging Marguerite mit Henri auf die Jagd. Damienne blieb bei der Hütte. Sie hatten ihr angeboten, eine Arkebuse dazulassen, aber sie hatte abgelehnt. »Wenn irgend etwas Gefährliches kommt, verstecke ich mich schnell in unserer Hütte.«
»Aber die hat ja noch nicht mal eine Tür«, rief Marguerite.
»Ach, ich habe ja noch meinen Jagdspeer, das wird schon reichen, um mit Dämonenhühnern fertig zu werden. So eine Büchse ist doch gefährlicher für mich als für jedes Tier - zumindest wenn ich schieße«, grinste Damienne.
Marguerite konnte ihr kaum widersprechen. Sie wollte sich mit Henri am Waldweg auf die Lauer legen. Henri war sich inzwischen sicher, daß es einfach nur ein Wildwechsel war.
»Wer weiß, vielleicht erwischen wir noch einen Elch«, sagte er.
Marguerite hoffte, daß er recht behalten würde. Sie folgten dem Weg hinauf zum See.
»Können wir uns nicht auch irgendwo hier auf die Lauer legen?«, fragte Marguerite. Es war ein heißer Augusttag und sie fühlte sich schlaff und müde.
»Können wir, aber ich glaube, ich habe heute Lust, ein Bad zu nehmen«, lachte Henri.
»Ein Bad?«
»Ich denke, daß tut uns beiden gut«, sagte Henri.
Ein Bad! Früher, auf Chateau de Roberval, hatte Marguerite einmal in der Woche im großen Waschzuber gebadet, aber seit sie vor unendlich vielen Wochen auf See gegangen waren, hatte es dafür keine Gelegenheit mehr gegeben. Natürlich wusch sie sich täglich gründlich im Bach - aber ein richtiges Bad war eine wundervolle Idee, gerade an so einem heißen Tag. Vermutlich war der Tag auch den Mücken zu heiß, denn erstaunlicherweise blieben sie am See so gut wie unbehelligt. Sie streiften lachend die Kleidung ab und liefen schnell zum Ufer.
Marguerite sah etwas Schwarzes im See treiben.
»Wer zuerst bei dem Baumstamm ist!«, rief sie und sprang ins Wasser.
Da hob das schwarze Etwas den Kopf. Es war ein Elchbulle, der den Seegrund abgeäst hatte. Er glotzte die nackte Marguerite an, die wie gelähmt dastand und zurückstarrte. Dann kam er auf sie zu.
Marguerite schrie auf und flüchtete. Henri griff nach dem Feuerstein und schlug einen Funken. Der Elch folgte Marguerite. Er jagte sie nicht etwa, aber der Trampelpfad war der einzige Weg in den See und wieder heraus. Er fühlte sich in die Enge getrieben und war bereit zu kämpfen. Hätte er die Wahl gehabt, wäre er wohl lieber geflohen. Aber er hatte keine Alternative - und er hatte keine Chance. Als er sich langsam aus dem Wasser kämpfte, Schoß Henri.
Die Entfernung war kurz und der Schuß gut gezielt. Dem Elch
Weitere Kostenlose Bücher