Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Dämonen

Die Insel der Dämonen

Titel: Die Insel der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
Vom Netzwerk:
und Marguerite konnte sehen, daß man an Bord des anderen Schiffes aufgeregt durcheinanderlief. Wieder erklang der Ruf, und dieses Mal verstand sie ihn: »Schiff ahoi!«, und noch einmal: »Schiff ahoi!«
    Dann sah Marguerite selbst: Die Segel eines Schiffes tauchten hinter dem Ausläufer des Hügels auf, der die Einfahrt den Blicken entzog, dann die Segel eines zweiten, die eines dritten Schiffes. Dann noch mehr Segel - eine ganze Flotte war dabei, in die Bucht von Saint-Jean einzulaufen.
    Die Aufregung hatte längst auf die Anne übergegriffen, alles drängte sich an der Reling, um zu sehen, wer da in die Bucht einlief. Waren es die verfeindeten Spanier? Oder Engländer? Nein, die Flaggen waren französisch!
    Dann schob sich der Rumpf des Führungsschiffes hinter der Landzunge hervor. Marguerite erkannte es sofort: Es war die Grande Hermine, das Flaggschiff von Jacques Cartier!
    Die Aufregung wurde nicht geringer. Cartier war hier? Cartier, der doch im Inneren des Landes eine Siedlung aufbauen sollte? Was war geschehen? Warum hatte er seinen Posten verlassen und die Siedlung aufgegeben? Die Grande Hermine und ihre Begleitschiffe gingen dicht bei der Einfahrt vor Anker. Dann löste sich ein Beiboot vom Flaggschiff und ruderte langsam durch die Bucht. Es steuerte die Anne an. An Bord der Anne sorgten de Xaintonge und de Roberval für Ordnung. Alle Fischer mußten das Schiff umgehend verlassen, die Sträflinge wurden unter Deck verbannt, die Matrosen auf ihre Posten befohlen.
    Marguerite verfolgte besorgt, wie die Arkebusiere den Befehl bekamen, sich zu bewaffnen. Unterdessen kam das kleine Boot immer näher. Vier Matrosen ruderten es und im Heck saß Jacques Cartier ganz allein.
    Es war ein sonniger Juninachmittag. Möwen umkreisten die Schiffe und noch immer lag über allem der verlockende Duft von geräuchertem Fisch.
    Das Boot legte an und ein Fallreep wurde niedergelassen. Cartier kletterte an Bord. De Roberval hatte sich entschieden, ihn auf dem Oberdeck vor versammelter Mannschaft zu empfangen. Marguerite sah, daß ihr Onkel vor Wut kochte. Cartier war nicht auf seinem Posten! War die Expedition etwa gescheitert?
    Cartier betrat das Deck. In der Hand hielt er einen kleinen Lederbeutel.
    De Roberval hielt sich nicht lange mit Höflichkeiten auf: »Monsieur Cartier, ich habe nicht erwartet, Euch hier anzutreffen. Warum seid Ihr nicht in Stadacona?«
    Cartiers Augen blitzten, als de Roberval ihn so anfuhr, aber er antwortete ganz ruhig: »Ich habe meinerseits nicht damit gerechnet, Euch überhaupt noch einmal in diesen Gefilden zu sehen.«
    Das saß! De Roberval lief rot an und konnte sich nur mühsam zurückhalten.
    »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Monsieur. Ich frage noch einmal: Warum seid Ihr nicht auf Eurem Posten?«
    Ganz im Gegensatz zu de Roberval behielt Cartier die Ruhe: »Monsieur, ich weiß nicht, ob es notwendig ist, die Gründe für meine Entscheidung in aller Öffentlichkeit zu diskutieren.«
    »Wo und wann wir diese Frage besprechen, entscheide allein ich, Monsieur!«, fuhr ihn de Roberval an.
    »Nun gut«, erwiderte Cartier. »Ihr fragt, warum wir unsere Siedlung aufgegeben haben? Das ist recht einfach zu beantworten, Monsieur: Der Winter war unmenschlich lang. Kälte und Krankheiten haben unsere Reihen gelichtet. Unsere Vorräte gingen zur Neige und wir konnten keine neuen von den Eingeborenen bekommen, denn sie zeigten sich feindselig. Wir konnten nicht jagen oder gar Felder anlegen, denn auch das verhinderten die Wilden. Um sie zu bekämpfen, hätten wir mehr Waffen und mehr Munition gebraucht. Habt Ihr die schweren Geschütze mitgebracht? Ich vermute, nein. Wir haben auf Euch gewartet, Monsieur - über ein Jahr haben wir auf Euch gewartet, doch Ihr seid nicht erschienen. Wir konnten nicht länger mit Eurer Hilfe rechnen. Aus all diesen Gründen, Monsieur, haben wir die Siedlung aufgegeben und die Heimreise angetreten.«
    Marguerite hörte deutlich die Verbitterung in Cartiers Worten.
    »Ich vermag keine Gründe zu erkennen, Monsieur Cartier«, antwortete de Roberval scharf. »Die Eingeborenen sind feindselig? Dann bekämpft sie! Zu wenige Waffen? Nach allem, was ich weiß, kämpfen die Wilden noch mit Steinäxten und Holzspeeren! Dem Mut und der Kampferfahrung französischer Soldaten sollten sie schon gar nicht gewachsen sein! Vielleicht hat es Euch einfach nur am nötigen Willen gefehlt, Monsieur?«
    Cartier trat erregt einen Schritt vor: »Tapferkeit und Arkebusen sind nutzlos, wenn

Weitere Kostenlose Bücher