Die Insel der Dämonen
Schließlich erreichten sie nebelfreie Gewässer. Der Dunst schien sich nur in unmittelbarer Nähe Baccalaos’ zu bilden. De Roberval befahl, mehr Segel zu setzen. Etwa eine Stunde später meldete der Ausguck Land voraus.
Baccalaos lag im Westen oder Südwesten hinter den Schiffen. Es mußte also eine andere Insel sein. De Roberval und de Sauveterre studierten die Seekarte. Die Insel war nicht darauf verzeichnet. De Roberval befahl einen Kurswechsel und die Anne und die Valentine steuerten die kleine Landmasse an.
Marguerite saß in ihrer Kabine fest und lauschte den Stimmen an Deck. Für den Moment vergaß sie ihr Unbehagen. Eine Insel! Wie gern wäre sie auf das Oberdeck gestürmt, um die neue Entdeckung zu bestaunen!
Das Stimmengewirr an Deck nahm zu. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, sie verließ die Kabine und stellte sich an den Aufgang - das war schließlich nicht verboten. Soviel sie verstand, wurde das Beiboot zu Wasser gelassen, um die Insel zu erkunden.
Dann tauchte Damienne auf, die unter Deck gewesen war, um sich umzuhören. Sie packte Marguerite rauh am Arm und zog sie zurück in die Kabine, ohne auf ihren Protest einzugehen.
»Was ist denn los?«, wollte das Mädchen wissen.
Damienne starrte sie an: »Dein Onkel ist des Teufels, mein Kind!«
»Was redest du da? Das ist doch Unsinn!«
»Unten im Schiff ist einer, der kennt dieses Eiland. Der Fischer aus Moncourt, erinnerst du dich?«
»Ja, aber was hat ...«
»Sie ist verflucht! Diese Insel wird von Dämonen bewohnt!«
Marguerite erschrak.
»Es heißt, dein Onkel will hier, auf dieser Insel des Teufels, eine Siedlung gründen!«
»Aber wenn die Insel von Dämonen bewohnt ist, dann wird er doch wohl nicht hier siedeln wollen! Das ist doch verrückt!«
»Spürst du es nicht, das Böse, das in der Luft liegt? Seit Tagen schon? Seit Cartier, verflucht soll er sein, uns alle im Stich gelassen hat?«
»Du machst mir Angst, Damienne.«
»Und es ist auch angebracht, Angst zu haben!«
»Aber was können wir tun?«
»Beten, Marguerite! Laß uns beten, daß das alles ein gutes Ende nimmt, auch wenn ich nicht vermag, daran zu glauben.«
Acht Mann unter der Führung von Kapitän de Sauveterre bestiegen schwer bewaffnet ein kleines Beiboot, um die Insel zu erkunden. Mit gleichmäßigen Ruderschlägen näherten sie sich dem unbekannten Eiland. Einige Möwen und andere, fremdartige Seevögel kreisten mit gelegentlichen hellen Rufen über den Schiffen und dem Boot, das bald schon eine kleine Bucht anlief.
Von der Anne aus beobachtete de Roberval, wie die Männer an Land gingen und dann auf das Innere der Insel zuhielten. Bald waren sie im Dickicht verschwunden und allen Blicken entzogen.
Die Zeit verstrich. Nach einer Weile ertönte ein Schuß in der Ferne, dann noch einer. Dann war wieder Ruhe. Wenn de Robeval von den Schüssen beunruhigt war, ließ er sich nichts davon anmerken. Er stand auf dem Achterdeck in der Nähe des Steuers und beobachtete das fremde Ufer durchs Fernglas. An Deck drängten sich die Matrosen und die Soldaten und hielten besorgt und aufgeregt Ausschau nach den Kameraden.
Auch Marguerite hatte unten in ihrer Kabine die beiden Schüsse gehört. Sie stürzte an die Luke, aber sie konnte von dort aus nur ein winziges Stück der Insel sehen.
»Hast du gehört? Sie schießen! Ob es dort Wilde gibt?«, rief sie aufgeregt.
»Wilde oder Dämonen«, antwortete Damienne grimmig. »Die armen Männer. Gott steh ihnen bei!«
Auf dem Oberdeck machten sich die Seeleute ganz ähnliche Gedanken, denn weitere Stunden vergingen, ohne daß ein erneutes Lebenszeichen von ihren Kameraden zu vernehmen war, und das Gerücht, daß die Insel von Dämonen bewohnt sei, hatte sich inzwischen auch bis zum letzten Matrosen herumgesprochen.
»Wir sollten an Land gehen, um unsere Kameraden zu retten«, forderten flüsternd die ersten Stimmen.
»Ach, die werden sich bald wieder melden«, meinten andere. Die Unruhe stieg und nur de Roberval schien davon unberührt.
»Seht nur, wie ruhig der Kommandant bleibt - das ist doch unmenschlich!«
»Vielleicht hat er uns mit Absicht zu dieser verfluchten Insel geführt. Seit Tagen schon ist er so eigenartig!«
»Er scheint einfach nur mehr Gottvertrauen zu haben als ihr, ihr Halunken und Sünder«, meinte einer der Bootsmänner.
»Und auf welchen Gott vertraut er?«
»Halt dein Schandmaul«, entgegnete der Bootsmann halblaut, »oder willst du den Rest der Reise in Ketten verbringen?«
»Da sind
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