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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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Leah die Eingangshalle. Hinter der Wand war ein Rascheln zu vernehmen. Sie trat zur Türöffnung, blickte um die Ecke und sah gerade noch, wie sich eine buntgekleidete Gestalt in die Tiefen des Hauses zurückzog. Neugierig musterte sie die Welt hinter dem Paravent. Bei dem sich der Halle anschließenden Raum handelte es sich um einen Innenhof, dessen Boden in der Mitte etwa einen Fuß abgesenkt war, um das bei Regen hereinfallende Wasser aufzunehmen und unterirdisch abzuleiten. Riesige Pflanztöpfe aus luxuriösem Chinaporzellan gruppierten sich um die Vertiefung, Palmen und sogar eine Bougainvillea reckten sich dem Himmel entgegen. Leah gegenüber öffnete sich ein langgestreckter Flur, der, wie sie ahnte, zu weiteren Innenhöfen führte, ehe schließlich der Küchentrakt und Hinterhof am anderen Ende des Gebäudes erreicht waren. Bis auf ein gedämpftes Murmeln irgendwo im ersten Stock war es im Haus gespenstisch still. Obwohl Leah die Ohren spitzte, konnte sie kein Wort verstehen, glaubte allerdings Erregung aus den Männerstimmen herauszuhören. Eine Tür klappte. Sie zog sich hastig in die Mitte des Empfangsraums zurück, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Wie würde Boon Lee auf ihr plötzliches Auftauchen reagieren?
    Schritte auf der Treppe. Sie wich noch weiter zurück. Noch konnte sie flüchten, alles auf sich beruhen lassen.
    In diesem Moment trat ein Mann in den Raum.
    Es war nur der Diener. Der Herr lasse ihr ausrichten, dass er momentan unabkömmlich sei. Sie möge in ihrem Hotel auf seine Nachricht warten. Ob sie ihm bitte mitteilen könne, in welchem Etablissement sie abgestiegen sei?
    Zum zweiten Mal an diesem Tag packte Leah unbändiger Zorn. Er wagte es, sie wegzuschicken wie eine Bittstellerin? Wenn er Angst hatte, sich zu kompromittieren, sollte er es ihr gefälligst ins Gesicht sagen. Sie ließ sich von dem protestierenden Diener nicht länger aufhalten, stürmte in den Innenhof und die Treppe hinauf auf die Galerie, dorthin, wo vor wenigen Augenblicken das Murmeln seinen Ursprung gehabt hatte. Sie stieß die erste Tür auf, die zweite.
    »Leah?«
    Sie drehte sich um. Da stand er, eine Hand haltsuchend auf dem Geländer der Galerie, die Gestalt von der schräg einfallenden Sonne erhellt. Leah blieb wie angewurzelt stehen. Sein Anblick überwältigte sie, spülte den bittersüßen Schmerz von damals in ihr sich zusammenkrampfendes Herz. Er war älter geworden, doch die Jahre hatten seiner Schönheit keinen Abbruch getan. Sein feines Gesicht war ein wenig kantiger geworden, erwachsener, und ein fester Zug um den Mund verriet, dass man gut daran tat, ihn ernst zu nehmen. Ein halb ärgerliches, halb unsicheres Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht.
    »Willst du mich vor meiner Familie bloßstellen?«
    Seine Worte brachten Leah noch mehr in Rage.
    »Du hast kein Recht, mich fortzuschicken.«
    »Und du hast kein Recht, in mein Haus einzudringen. Denkst du denn immer nur an dich?« Er trat zu einer der Türen und bat sie mit einer knappen Geste, einzutreten. Seine Worte hatten Leah so getroffen, dass sie seiner Aufforderung umgehend Folge leistete. War sie wirklich so selbstsüchtig, wie er es darstellte?
    Der Raum war klein; lediglich ein europäischer Ledersessel mit passendem Hocker, ein Tischchen und ein Regal mit mehreren Dutzend Büchern fanden darin Platz. Auf dem Tisch lag zu Leahs Überraschung ein ins Englische übersetzter Roman von Jules Verne:
From the Earth to the Moon.
Eine seltsame Lektüre für einen gestandenen Geschäftsmann, dachte sie und ließ sich in dem Sessel nieder. Boon Lee setzte sich auf den Hocker. Schweigend sahen sie sich an.
    »Du hinterlässt noch immer Scherben«, stellte er schließlich fest. Er stand wieder auf, trat an das Fenster zum Innenhof, sah kurz hinaus, drehte sich wieder um und lehnte sich gegen den Rahmen. Leah ließ ihn nicht aus den Augen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.
    »Ich bin davon ausgegangen, dich nie wiederzusehen«, fuhr er fort. »Deine Augen haben es mir gesagt, damals bei meiner Hochzeitsprozession.«
    Leah räusperte sich, zwang sich zu sprechen. »Du hast mich richtig verstanden. Es hat mich fast umgebracht, dich dort zu sehen. An der Seite dieses Mädchens. Ich bin noch in derselben Nacht an Bord eines Schiffes gegangen. Ich wollte nie nach Singapur zurückkehren. Diesen Schwur habe ich vor ein paar Tagen gebrochen.«
    »Und da dachtest du, du könntest den zweiten Schwur auch gleich brechen und bist hergekommen?« Plötzlich war

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