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Die Insel der Orchideen

Die Insel der Orchideen

Titel: Die Insel der Orchideen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: white
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schon von Bord. In einem kurzen Aufblitzen sah Friedrich die langen Monate, vielleicht Jahre vor sich, die er ohne die tröstliche Gegenwart des teuren Kameraden bei den Piraten würde zubringen müssen. Die Vorstellung war so schrecklich, dass sie alle anderen Bedenken beiseitewischte. Unter den erschrockenen Mienen der asiatischen Sklaven schwang er ebenfalls die Beine über die Kante und ließ sich an der dorfabgewandten Seite ins hüfthohe Wasser gleiten.
    »Hast du einen Plan?«
    Collister deutete flussaufwärts. »Dort werden sie uns nicht vermuten. Sie werden denken, dass wir mit dem Strom zum Meer geschwommen sind!«, rief er gegen das sich noch immer steigernde Gebrüll an. Ohne es zu sehen, wusste Friedrich, dass die Piraten nun alle als wertlos ausgesonderten Dorfbewohner niedermetzelten. Er duckte sich unwillkürlich, dann watete er in Collisters Kielwasser am Dorf vorbei, jeden Moment darauf wartend, entdeckt zu werden.
    Sie schafften es ungesehen bis zum Waldrand und tauchten in den Schutz großblättriger Bäume und Lianen. Ohne sich noch einmal umzuwenden, stürmte Collister voran, Friedrich folgte ihm auf den Fersen. Dornen bohrten sich in seine bloßen Fußsohlen, Äste schlugen ihm gegen Kopf und Glieder, er strauchelte über Wurzeln, gönnte sich jedoch keine Pause. Sie hatten eine Grenze überschritten; die Piraten würden sie ohne Zweifel jagen und, sollten sie ihrer habhaft werden, ein Exempel statuieren, das ihnen und den anderen Sklaven die Fluchtgedanken auf ewig austriebe. Sie mussten entkommen. Oder sterben.
    Weiter ging es, Stunde um Stunde, bis sie im hellen Mittagslicht erneut an einem Flussufer standen, wahrscheinlich einem Zufluss des Hauptstroms. Collister stieg umgehend ins schlammbraune Wasser, das gurgelnd an seinen Beinkleidern zog, doch Friedrich blieb stehen und beobachtete ihn. Der Bootsmann hatte etwa ein Drittel der Flussbreite durchwatet, als er den Grund verlor. Mit kräftigen Schwimmzügen durchmaß er die verbliebene Strecke, kaum mehr als zwanzig oder dreißig Meter, doch für Friedrich war es zu weit. Unschlüssig sah er den Fluss hinauf. Weiter oben gab es vielleicht eine leichter zu bewältigende Furt. Gerade wollte er Collister zurufen, er möge am anderen Ufer ebenfalls flussaufwärts gehen, als kräftige Hände ihn packten. Friedrich sah noch, wie Collister im Dickicht verschwand und zwei der Verfolger sich ins Wasser warfen, dann wurde er zu Boden gerissen. Er wehrte sich verzweifelt, doch die Piraten waren in der Überzahl.
    Mit Händen und Füßen an einen starken Ast gebunden wie ein Schwein, schleppten sie ihn zurück in das zerstörte Dorf. Die Fesseln rissen an seinen Gelenken, bis Friedrichs ganzes Sein nur noch um den unerträglichen Schmerz kreiste. Er betete um Erlösung, betete, dass sie ihr Ziel erreichten, obwohl er ahnte, dass seine Strafe mit diesem Transport längst nicht abgegolten war. Die noch schwelenden Hütten kamen in Sicht. Die Piraten warfen Friedrich auf dem Dorfplatz zu Boden und gingen ihrer Wege. Die ganze Nacht lag er zwischen den Leichen der Dorfbewohner. Die gebrochenen Augen eines Kindes waren direkt auf ihn gerichtet, doch als er sich mühsam herumwälzte, kam es noch schlimmer. Einige Ratten fraßen sich bereits durch das Fleisch eines jungen Dayak-Kriegers mit gespaltenem Schädel. Friedrich wurde übel.
    Nach einer endlosen Nacht hob noch vor Sonnenaufgang ein Jubelgeschrei im Piratenlager an, das binnen kurzem in wütendes Geheul überging. Friedrichs Herz raste. Dies konnte nur eins bedeuten: Sie hatten Collister ebenfalls erwischt. Lebend. Seine Fantasie preschte mit ihm davon, alle Höllenqualen, die von den Malern je auf Leinwand gebannt wurden, erstanden vor seinem inneren Auge. Er ahnte, dass ihm und Collister Schreckliches blühte.
    Sie holten ihn am Vormittag. Obwohl sie seine Fesseln lösten, konnte sich Friedrich vor Schwäche kaum aufrecht halten. Die Baststricke hatten ihm Hände und Füße abgeschnürt, Blut rann in Strömen über den Körper, wo sich die Blutegel in sein Fleisch bohrten. Am Ufer warteten Piraten und Gefangene in einem weiten Kreis sitzend schon auf ihn. Seine Peiniger warfen ihn ohne Vorwarnung auf den Boden und drückten ihn nieder. Gelähmt vor Angst hörte er das entsetzliche Zischen, das einem Schlag mit dem Rattanstock voranging. Der Schmerz war unvorstellbar, als die Haut auf seinem Rücken platzte und der biegsame Ast tief in sein Fleisch schnitt. Friedrich schrie und schrie, und noch

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