Die Insel der roten Erde Roman
seine Frau ihm helfen kann.«
»Aber wieso willst du denn weggehen, Gabriel? Du liebst deine Arbeit doch!«
Leise, damit die Kinder ihn nicht hören konnten, erwiderte er: »Aber dich liebe ich mehr, Sarah! Ich ertrage den Gedanken nicht, fern von dir zu sein. Habe ich eine Arbeit in Kingscote, kann ich immer unter einem Vorwand die Ashbys oder Evan und die Kinder besuchen, und dann kann ich dich sehen.«
Amelia freute sich unbändig, hatte ihr doch vor dem Tag gegraut, an dem Gabriel nach Cape du Couedic zurückkehren würde.
Als Gabriel später nach Charity Cottage ging, um sich umzuziehen, saß Lance in der Küche und las die Zeitung.
»Ich habe Miss Jones heute kennen gelernt«, sagte er beiläufig.
»Ich weiß. Sie sagte, dass du drüben warst«, erwiderte Gabriel. Der Ausdruck in Lance’ Augen gefiel ihm gar nicht.
Dass Gabriel und Miss Jones offenbar über alles sprachen, als wären sie ein Paar, überraschte Lance nicht. »Jetzt ist mir klar, warum du den Finnlays so treu ergeben bist«, neckte er ihn.
»Spar dir deine Anspielungen, Lance«, knurrte Gabriel. »Ich habe größten Respekt vor Evan. Er hat es verdammt schwer gehabt nach Janes Tod. Und ich respektiere auch Miss Jones.«
»Selbst ein Blinder würde sehen, was für eine außergewöhnlich schöne Frau sie ist«, fuhr Lance fort.
Gabriel erwiderte nichts darauf. Er hatte Angst, jedes Wort könnte seine Gefühle für seine Sarah verraten.
Sein beredtes Schweigen bestärkte Lance in seiner Vermutung, dass Gabriel sich in Sarah Jones verliebt hatte. Natürlich würde er keine ernsten Absichten haben – schließlich war sie eine Strafgefangene –, aber vielleicht hatten sie eine heimliche Affäre.
Gabriel wechselte das Thema. »Deine Mutter hat mir erzählt, du gehst mit Olivia Horn aus.«
»Ja, stimmt.«
»Ist es etwas Ernstes?«
»Noch nicht«, antwortete Lance achselzuckend. »Aber es könnte was werden.«
Gabriel nickte. »Olivia ist ein reizendes Mädchen.«
»Und wie sieht es bei dir aus? Gibt es in deinem Leben jemand Bestimmtes?«, fragte Lance und beobachtete Gabriel aus zusammengekniffenen Augen.
»Möglich«, erwiderte er ausweichend. »Aber es ist noch zu früh für eine offizielle Ankündigung. Entschuldige mich bitte.« Damit verließ er das Haus.
Lance war wie vom Donner gerührt. »Eine offizielle Ankündigung?«, murmelte er vor sich hin. »Das kann doch nicht sein Ernst sein! Eine Beziehung mit einer Zuchthäuslerin? Ich glaub’s einfach nicht!«
Draußen vor der Tür blieb Gabriel stehen und holte tief Luft. Das war knapp gewesen! Er wünschte, er könnte sich Edna und Charlton anvertrauen, da beide gute Freunde waren. Doch Lance’ Worte hatten ihm ins Bewusstsein zurückgerufen, dass seine Sarah für die meisten nichts weiter als »die Zuchthäuslerin« war. Er nahm sich vor, Lance Ashby im Auge zu behalten.
27
»Kann ich dich etwas fragen, Onkel Charlton?« Nach dem Frühstück war Ednas Mann in den Stall gegangen, um das Pferd zu füttern. Sarah war ihm gefolgt. Charlton hielt sich oft im Stall auf und redete mit seinem Pferd. Vermutlich war er ganz froh, hin und wieder der »Weiberwirtschaft« im Haus zu entrinnen.
»Sicher, Amelia. Was möchtest du denn wissen?«
»Wann wird der Nachlass meiner Eltern geregelt sein?«
Charlton sah sie befremdet an. »Das kann ich dir nicht sagen.«
Als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte, wurde Sarah bewusst, wie gefühllos ihre Frage geklungen haben musste. Sie setzte eine bekümmerte Miene auf und sagte leise: »Weißt du, solange alles in der Schwebe ist, habe ich das Gefühl, keinen neuen Anfang machen zu können. Ich kann weder Zukunftspläne schmieden noch meine Trauer überwinden.«
»Ich verstehe, mein Kind«, erwiderte Charlton. »Hast du die Absicht, uns schon bald wieder zu verlassen?«
»Aber nein, Onkel«, schwindelte Sarah. »Ich würde gern ein wenig reisen, damit die schrecklichen Erinnerungen verblassen, aber dann würde ich wieder zurückkommen. Natürlich nur, wenn es euch recht ist.«
»Wir würden uns freuen, mein Kind! Hast du dir denn schon ein Reiseziel ausgesucht?«
Sarah schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
»Eine junge Frau wie du sollte nicht allein unterwegs sein, das ist viel zu gefährlich. Edna könnte dich begleiten.«
Sarah stockte das Herz vor Schreck, doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sie konnte doch nicht mit Edna im Schlepptau ihre Familie in England besuchen! Nein, sie
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