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Die Insel der roten Erde Roman

Titel: Die Insel der roten Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Hakennase, schmale Lippen und eine farblose Haut. Ihre Wimpern und Brauen waren so hell, dass es den Eindruck erweckte, als hätte sie gar keine.
    Nur die wenigsten Aboriginekinder besuchten die Schule mit der gleichen Regelmäßigkeit wie die Kinder der Hammonds. Miss Strathborne bestand darauf, dass sie zum Unterricht Schuhe anzogen, obwohl sie sonst Sommer wie Winter barfuß gingen. Ihre breiten, staubigen Füße waren voller Schwielen; dennoch staunte Miss Strathborne immer wieder, wie sie selbst auf glühend heißem Boden laufen konnten, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.
    »Hast du die unregelmäßigen Verben geübt, Martin?«
    »Ja, Miss.«
    »Und du, Ella-Jane – hast du das Abc gelernt?«
    Anscheinend war Ella-Jane gerade erst eingeschult worden. Die Kleine senkte schüchtern den Kopf, blickte aus riesengroßen braunen Augen zu Miss Strathborne auf und nickte kurz. Dann setzte sie sich wieder in den Staub und spielte mit ihrer Puppe. Die Fliegen, die ihr übers Gesicht krabbelten, nahm sie offenbar gar nicht wahr. Dass die Aboriginekinder sich nicht an den zahllosen Fliegen störten, die ständig Augen, Nase und Mund umschwirrten, würde die empfindliche Miss Strathborne nie begreifen können. Es ekelte sie bei dem bloßen Anblick.
    »Braves Mädchen«, lobte Miss Strathborne und wandte sich wieder den Jungen zu. »Ist eure Mutter drinnen bei Mrs Ashby?«
    »Ja«, antwortete Martin. Er hatte mit einem Stecken Muster in den Staub gemalt, während sein Bruder auf den Baum geklettert war.
    Miss Strathborne ging zur Rückseite des Hauses. Sarah, die sich gerade frisierte, hörte, wie Edna die Lehrerin begrüßte.
    »Ihnen müssen die Ohren klingen, Silvia«, sagte Edna.
    »Oh!« Sie sprach das Wort aus, als wäre sie zutiefst beunruhigt.
    »Betty und ich haben gerade über die Schule gesprochen. Wie ich höre, ist sie heute geschlossen.«
    »Ja, leider.« Silvia zog die Hutnadel heraus und nahm den Hut ab. Ihre Haare waren so blond, dass sie fast weiß wirkten. »Barnsey und Johnno Forsythe haben Samstagmorgen begonnen und hoch und heilig versprochen, bis Sonntagnachmittag fertig zu sein. Es ist nur ein einziges großes Zimmer, um Himmels willen, aber anscheinend sind zwei Männer nicht imstande, es in zwei Tagen zu streichen!« Entnervt verdrehte sie die Augen. »Ich hoffe, dass sie heute endlich fertig werden. Mir graut schon davor, morgen im Gestank frischer Farbe unterrichten zu müssen.« Sie warf Betty einen flüchtigen Blick zu. »Ich habe gerade mit Ihren Sprösslingen gesprochen, Mrs Hammond. Würden Sie bitte darauf achten, dass sie ihre Hausaufgaben machen?«
    »Ja, Missus.«
    »Miss«, verbesserte die Lehrerin sie. »Ich habe Ihnen schon ein paarmal gesagt, dass es Miss Strathborne heißt, Mrs Hammond. Ich bin weder verheiratet noch verlobt. Das Schulamt sieht es nicht gern, wenn Lehrerinnen verheiratet sind, und da ich das Unterrichten als meine Berufung betrachte, werde ich es gewiss nicht für irgendeinen Mann opfern.«
    Betty nickte. Silvia Strathborne gehörte zu den zahlreichen Weißen, die sie von oben herab behandelten. Allerdings ging Silvia mit weißen Müttern nicht viel anders um. Betty bezweifelte, dass auch nur ein Verehrer den Weg zur Tür der Lehrerin fand. Kein Wunder; man bekam ja schon Frostbeulen, wenn man sich nur in der Nähe dieser Frau aufhielt.
    »Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, fragte Edna.
    »Gern, vielen Dank«, antwortete Silvia.
    »Ich freue mich immer, Sie zu sehen, Silvia«, begann Edna diplomatisch, »aber was führt Sie eigentlich her?« In Wirklichkeit konnte sie es sich denken. In einer Kleinstadt verbreiteten Neuigkeiten sich nun einmal in Windeseile.
    »Ich habe heute Morgen mit Clare Thomas gesprochen, und sie hat mir erzählt, dass Sie eine junge Frau bei sich aufgenommen hätten, die vor kurzem ihre Eltern verloren hat.«
    Der Klatsch blühte also, genau wie Edna vermutet hatte. In diesem Fall störte es sie aber nicht. Camilla war wie eine Schwester für sie gewesen; daher betrachtete sie es als Selbstverständlichkeit, ihre Tochter bei sich aufzunehmen. Und wenn diese gute Tat ihr Ansehen in der Stadt noch steigerte – umso besser. »Ja, das stimmt. Ihre Mutter war eine sehr gute Freundin. Sie kam vor einiger Zeit bei einem tragischen Unfall ums Leben, zusammen mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn, daher haben Charlton und ich beschlossen, Amelia eine Zeit lang bei uns aufzunehmen. Wir sind bisher kaum mit ihr ausgegangen, weil sie noch

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