Die Insel der roten Erde Roman
anmaßender Gedanke, aber wie sonst sollte sie seine Worte auslegen?
Cape du Couedic
Carlotta hatte Evans Töchtern gezeigt, wie man Klöße zubereitet. Sie war gerade im Begriff, die Küche aufzuräumen, als Evan hereinkam. Die Mädchen holten Wasser aus dem Brunnen hinter dem Farmhaus.
»Wie ist es gelaufen, Carlotta?«
»Sehr gut! Sogar die Kleinen haben mitgemacht.«
»Ich bin Ihnen wirklich dankbar.« Evan blickte sich flüchtig um. »Auch Sarah hätte ruhig am Kochunterricht teilnehmen können. Das würde ihr nicht schaden. Nicht einmal die Ferkel fressen, was sie sich zusammenkocht.«
Carlotta, deren abwegige Gedanken unaufhörlich um Gabriel und die Zuchthäuslerin kreisten, nahm die Bemerkung zum Anlass, die Unterhaltung auf das Thema zu lenken, das sie brennend interessierte. »Was wissen Sie eigentlich über sie?«
»Nicht viel. Sie erzählt nichts von sich. Aber das ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich kann sie sich an nichts erinnern.«
»Das behauptet sie «, murmelte Carlotta. Evan hatte es gehört und warf ihr einen sonderbaren Blick zu.
»Hat man Ihnen nicht gesagt, woher sie kommt oder weshalb sie im Gefängnis war?«, fuhr Carlotta fort.
Evan schien sich in seiner Haut nicht wohl zu fühlen.
»Ich will ja nichts sagen, aber der Gedanke, sie könnte eine Gräueltat begangen haben, macht mich ganz nervös, wenn ich in ihrer Nähe bin.«
»Man sagte mir, sie kommt aus Bristol, obwohl sie gar nicht so spricht. Und ein schweres Verbrechen hat sie nicht begangen. Sonst hätte ich sie niemals genommen, schon wegen der Kinder.«
»Was hat sie sich denn zuschulden kommen lassen?«
Evan zögerte. »Sie hat der Tochter ihres Brotherrn ein Armband gestohlen. Deshalb wurde sie zu sieben Jahren in Van-Diemens-Land verurteilt. Fünf Jahre hat sie bereits verbüßt, die restlichen zwei wird sie hier abarbeiten.«
Das hörte Carlotta gar nicht gern. Zwei Jahre würde ihre Rivalin – denn als solche betrachtete sie die Zuchthäuslerin – noch hier sein! Zwei Jahre, die sie mit Gabriel verbringen konnte. Carlotta hatte eigentlich vorgehabt, Evan zuzutragen, dass sich zwischen seiner Farmhelferin und Gabriel etwas angebahnt habe. Doch sie wusste, Gabriel würde ihr niemals verzeihen, wenn er dahinterkäme. Sie würde also raffinierter vorgehen müssen, damit Evan von selbst darauf kam. Da Männer ihrer Ansicht nach ein wenig begriffsstutzig waren, was diese Dinge betraf, musste sie Evan ein bisschen auf die Sprünge helfen.
»Haben Sie keine Angst, diese Frau könnte Sie bestehlen?«, fragte sie.
»Bei uns gibt’s nichts zu holen«, erwiderte Evan. »Deshalb hab ich sie ja genommen. Ich dachte, sie versteht etwas von Hausarbeit, aber das war offensichtlich ein Irrtum.« Immerhin schien sie sich zu seiner Freude inzwischen prächtig mit seinen Töchtern zu verstehen.
»Jemand, der kochen kann, wäre für Sie und die Kinder nützlicher gewesen«, stichelte Carlotta.
»Wir kommen schon zurecht.« Die Episode mit Sissie hatte Evan vor Augen geführt, wie rasch seine beiden Ältesten zu jungen Damen heranwuchsen. Nachdem ihm endlich klar geworden war, was es mit Sissies Weigerung, aus dem Abort zu kommen, auf sich gehabt hatte, wäre er vor Scham über sein Verhalten am liebsten im Boden versunken. Zu einer Entschuldigung konnte er sich jedoch nicht durchringen, weil er seine Tochter nicht in noch größere Verlegenheit bringen wollte. »Dafür ist Sarah in anderer Hinsicht von Nutzen«, brummte er bärbeißig. Das entschädigt sogar für ihre mangelnden hausfraulichen Qualitäten, dachte er. Zugeben würde er das natürlich nie.
Carlotta rätselte, wie das gemeint war. »Sie ist eine attraktive Frau, vero? Ich werde ein Auge auf meinen Edgar haben müssen. Er hat eine Schwäche für schöne Frauen.«
Evan blickte sie erstaunt an. »Ich glaube kaum, dass Sie sich deswegen Sorgen machen müssen, Carlotta.« Edgar würde es niemals wagen, mit einer anderen Frau anzubändeln, davon war Evan überzeugt. Allein schon, weil Carlotta ihm das Leben dann zur Hölle machen würde.
Sie lächelte. »Vielen Dank, signore« , gab sie kokett zurück. Ein zarter Wink, um ihm den Floh ins Ohr zu setzen, die Zuchthäuslerin und Gabriel hätten eine unschickliche Beziehung, genügte bei Evan offenbar nicht. Sie musste schon deutlicher werden.
»Vielleicht träumt sie ja davon, Ehefrau eines Farmers zu werden«, bemerkte sie anzüglich. Evan riss verwirrt die Augen auf. »Oder eines
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