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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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fieberglühenden Körper aufhoben und von ihrer Seite zerrten, zu Geistern oder zu wirklichen Menschen gehörten.
    »Ist er tot?«, flüsterte sie erschöpft.
    Jemand strich ihr beruhigend das Haar aus dem Gesicht.
    »Nein. Aber ich will ihn von hier wegbringen. Es ist heiß hier, stickig, es stinkt.«
    Tolos Stimme. Ein Teil von Noras benommenen Sinnen belustigte es, dass ausgerechnet die alte Obeah-Frau von Gestank sprach. Aber es stimmte, der Kuhmist, mit dem man Noras und Dougs Gefängnis befestigt hatte, war noch frisch und roch streng. Nora hatte das bis dahin kaum wahrgenommen …
    »Hat Máanu dich gerufen?«, fragte Nora müde.
    Sie sollte jetzt aufstehen und Doug folgen, den irgendjemand wegtrug. Aber sie wusste nicht, ob sie es schaffte. Sie hatte zwei Tage fast bewegungslos dagesessen, um Doug wenigstens davor zu bewahren, auf dem dreckigen Boden zu liegen. Jetzt war sie steif und ihre Glieder schmerzten.
    »Nanny hat mich gerufen«, sagte Tolo und half ihr auf. »Komm. Wir bringen ihn in deine Hütte. Da ist es besser …«
    »Kannst du ihm helfen?«
    Nora tastete sich unsicher an Tolos Arm zum Ausgang. Es war Nacht, aber der Mond schien hell, keine Wolke war zu sehen trotz der Regenzeit. Zwei Männer trugen Doug auf einer Trage. Nora sah, dass seine Augen geöffnet waren. Er blickte zum Himmel.
    Tolo zuckte die Schultern. »Ich werde es versuchen. Du wirst es versuchen, Nanny wird es versuchen. Wenn die Götter es wollen, wird er leben. Wenn nicht …«
    Nora war wieder halbwegs zu sich gekommen, als sie ihre Hütte erreichten. Princess, die dort mit Dede geschlafen hatte, machte bereitwillig Platz und räumte das Bett, das Nora sich einige Jahre zuvor mit großer Anstrengung aus Bambus gebaut hatte. Sie mochte nicht auf dem Boden auf Matten schlafen wie die Schwarzen, und Princess mochte das auch nicht. Aber jetzt suchte sie eifrig zusätzliche Kissen und Decken, als die Männer den Verletzten auf die Pritsche betteten. Nora umarmte ihre Tochter und brach in Tränen aus – fing sich aber gleich, als Tolo Anstalten machte, eine übel riechende Salbe auf Dougs Verletzungen zu schmieren.
    »Erst waschen, Tolo!«, sagte sie bestimmt. »Ich weiß, du hältst nichts davon, und vielleicht ist das Wasser in Afrika auch wirklich schädlich, aber hier ist es Quellwasser, es ist sauber und frisch. Und ich hab Seife …«
    »Kann ich helfen?«, fragte Princess. Sie schaute mitleidig und ziemlich hoffnungslos auf den Mann auf der Bettstatt, der ihr letzter Backra gewesen war.
    Nora nickte. »Mach Feuer, und mach Wasser warm. Wir brauchen Seifenlauge. Und Tee … Gegen Fieber hilft Weidenrinde …«
    Sie schaute unglücklich und fragend auf Tolo. Hier in Nanny Town hatte sie keine Weidenrinde. Auf Cascarilla Gardens hatte sie sich das Mittel aus England kommen lassen.
    »Wir nehmen Bitterholz«, sagte Tolo. »Ich habe etwas hier …«
    Sie beförderte eine Tinktur aus ihrem Korb.
    »Und haben wir wohl … Zuckerrohrschnaps?«, erkundigte sich Nora.
    Wenn sie an die Kalebassen in den Händen der Männer am Richtplatz dachte, wurde ihr übel, aber Dr. Masons Rezept, Alkohol verschwenderisch über offene Wunden zu gießen, hatte sich einfach schon dutzendfach bewährt.
    Tolo grinste. »Hab ich immer«, sagte sie. »Nanny teilt es zu, aber ich brenne mein eigenes Zeug. Die Nächte sind sonst sehr einsam …«
    Während Nora noch dabei war, Dougs Wunden zu säubern, und Tolo ihm Bitterholztinktur einflößte, erschien die Queen. Nora blickte sie verwundert an. Abgesehen von der Nacht von Jefes Geburt hatte sie Granny Nanny nie irgendwo anders als in ihrer Hütte oder am Versammlungsplatz gesehen. Sie zwang sich zu einer ehrfürchtigen Verbeugung.
    »Queen, ich danke …«
    »Lass das«, sagte Nanny kurz. »Ich werde helfen. Die Geister sagen, dass ich ihn heilen kann.«
    Misstrauisch betrachtete Nora das Tongefäß, in dem die afrikanische Heilerin nun Kräuter verbrannte, während sie Gebete vor sich hin murmelte.
    »Wir streuen die Asche in die Wunden und …« Die Queen beugte sich über Dougs Rücken.
    »Nanny«, unterbrach Tolo in ruhigem Ton, bevor Nora aufschreien konnte. »Eine von uns sollte die Geister anrufen. Wir brauchen ihre Kraft. Aber die Kleine da kann es nicht …« Sie wies auf Nora. »Und ich … Nun, ich habe den Gott Onyame zu dir reden hören. Du hast mächtige Geister. Die Götter deines Volkes sind dir über den Ozean gefolgt …«
    Nanny lächelte ob der Schmeichelei. »Ich bin nur ihr Gefäß,

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