Die Insel Der Tausend Quellen
Kutscher ihnen Anweisungen gab. Anscheinend war er ihr Vorgesetzter, der Aufseher brauchte nicht einzugreifen. Er war wohl eher dafür zuständig gewesen, die Arbeiten am Hafen zu überwachen – das Gepäck und Elias’ vielfältige Anschaffungen waren bereits am Schiff abgeholt und auf den Frachtwagen geladen worden. All das sicher vor Sonnenaufgang. Nun trugen die Sklaven noch die Reisetaschen zur Chaise, welche die Fortnams mit in das Haus der Hollisters gebracht hatten – und traten sich dabei mit Hollisters Dienstboten auf die Füße, denen wohl dasselbe aufgetragen worden war. Elias sprach derweil mit dem Aufseher, nachdem er ihn Nora kurz vorgestellt hatte.
»Nora, das ist Mr. McAllister, einer der Gentlemen, die für unsere Feldnigger zuständig sind. McAllister, meine Gattin, Mrs. Nora Fortnam.«
Nora nickte dem Mann kurz zu, eine Begrüßung mit Handschlag erwartete offensichtlich niemand. McAllister schien auf der Plantage eine ähnliche Stellung zu bekleiden wie ein Angestellter im Hause oder im Kontor der Reeds. Man ging höflich miteinander um, wobei sich jeder seines Standes und seiner Stellung bewusst war. Die Sklaven schien Elias dagegen gar nicht zu sehen, lediglich den Fahrer der Chaise begrüßte er mit einem knappen Nicken.
»Die neue Missis, Peter«, stellte er ihm Nora vor, woraufhin Peter sich untertänigst verbeugte.
»Sie sein willkommen!«, sagte er höflich.
Nora lächelte ihm zu. Der Mann schien nur gebrochen Englisch zu sprechen – und seine Hautfarbe sprach für rein afrikanische Herkunft.
»Der heißt aber nicht von jeher Peter«, bemerkte sie gegenüber Elias, als die Kutsche anfuhr.
Es ging zunächst über die gepflegten Straßen von Kingston, dann aber bald hinaus aus der Stadt, eine Küstenstraße entlang. Nora blickte neugierig über Strand und Meer.
Elias zuckte die Achseln. »Als ich ihn gekauft habe, hieß er schon so«, sagte er knapp. »Aber du hast Recht, sie kriegen oft neue Namen. Gerade die Hausnigger, die muss man ja ansprechen können, ohne sich die Zunge zu verrenken. Schau, da hast du deine Palmen!«
Es standen tatsächlich welche am Strand, und Nora konnte sich nicht daran sattsehen. Auch das Meer faszinierte sie, sie hatte schon während der Reise festgestellt, dass es jeden Tag in anderen Farben schimmerte und fluoreszierte. An diesem Morgen schien es leuchtend blau, und die Wellen waren etwas höher als gestern. Die schneeweiße Gischt ließ den Strand eher gelblich wirken. Und der lichte Wald, durch den die Straße gleich darauf führte, zeigte tausend Schattierungen von Grün. Nora versuchte, die Bäume und Sträucher zu identifizieren, und tippte auf Mahagonigewächse. Elias bestätigte das. Außerdem zeigte er ihr einen Blauholzbaum.
»Hier, der Blaue Mahoe – ganz typisch für Jamaika. Wir haben einen im Garten, aber an sich wächst dieser Baum eher im Landesinneren. Das Holz hat eine bläuliche Tönung, sehr seltsam. Aber ich hoffe, dir gefällt auch Mahagoni. Ich habe die Möbel für Cascarilla Gardens daraus anfertigen lassen. Meine erste Frau hat sie nicht so sehr gemocht, sie hätte am liebsten alle Möbel aus England geholt.«
Nora fühlte sich erneut peinlich berührt, äußerte sich aber nicht dazu. Die Möbel im Haus der Hollisters hatten sich nicht von denen unterschieden, die sie aus London kannte. Aber vielleicht hatten die sie ja auch aus England kommen lassen.
»Zu dem … zu dem Land passen irgendwie keine schweren Möbel«, meinte sie dann schließlich. »Eigentlich überhaupt keine. Ich denke … ursprünglich wird man hier doch … viel draußen gelebt haben, und …«
Elias funkelte sie an. »Was schwebt dir da vor, eine Bambushütte? Matten auf dem Boden wie in den Sklavenquartieren?« Er fuhr Nora an wie damals auf dem Schiff, unwillkürlich duckte sie sich. »Nora, ich habe dich schon einmal darauf hingewiesen: Du bist eine Lady, benimm dich auch so! Selbstverständlich ist unser Haus möbliert wie ein zivilisierter englischer Haushalt. Ich halte nur nichts davon, das Holz erst ins Mutterland zu transportieren, dann daraus Möbel zu schreinern und sie anschließend zurückzuholen, nur um der Nachbarschaft damit zu imponieren. Es gibt ordentliche Schreiner in Kingston und Spanish Town, die bauen jedes englische Möbel nach, das man ihnen zeigt.«
Nora schwieg und fand sich in Gedanken mit einer ähnlich langweilig gediegenen Einrichtung ab wie im Haus ihres Vaters. Und nun wollte Elias ja auch noch die in London
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