Die Insel der Verdammten
auf den Weg ins Innere der Insel und nahm nicht nur meine Waffe, sondern ebenfalls einen geräumigen, wenn auch unförmigen, aus Lianen geflochtenen Korb mit. Eine Eidechse und einige rote Früchte waren mein Proviant. Ich schritt den Bach entlang, der unweit der Höhle floß, und drang, ohne mich von seinem Ufer zu entfernen, immer tiefer in die Insel ein. Ebbe und Flut verursachten einen Unterschied des Wasserstandes im Bach. Bei Ebbe war er nur ein schmales Rinnsal, das leicht übersprungen werden konnte. In der Nähe des Baches wuchsen die Pflanzen üppiger als anderswo. Hier standen auch Laubbäume, zu deren Füßen sich dichtes Unterholz ausbreitete. Im Vorwärtsschreiten achtete ich auf jedes
Geräusch und suchte mit den Blicken die Pflanzen ab, um genießbare Früchte zu finden.
Der frische, freundliche Morgen machte mir Mut und kräftigte meine Gesundheit, die sich in den letzten Tagen bedeutend gebessert hatte. Mit einemmal sprangen vor meinen Augen zwei braune, den Hasen sehr ähnliche Tierchen hervor; doch flitzten die flinken Dinger, noch ehe ich auf sie anlegen konnte, ins Dickicht. Nach einigen hundert Schritten bemerkte ich drei weitere Hasen. 7
Sie waren so mit sich beschäftigt, daß ich unbemerkt auf etwa dreißig Schritt an sie herangehen konnte. Dann erst witterten sie Gefahr. Sie. erstarrten regungslos, hielten die kleinen Köpfe vorgestreckt und paßten auf. Ich schoß einen Pfeil auf sie ab - und fehlte. Mit einem Satz entwischten sie in die Sträucher.
Ich wunderte mich über ihre Scheu. Ich war mir klar darüber, der erste Mensch zu sein, der seinen Fuß auf diese Insel gesetzt hatte. Doch mit welchem Entsetzen flohen hier die Tiere vor mir! Wo blieb jene paradiesische Idylle, die auf einer unbewohnten Insel herrschen sollte?
Es gab sie nicht. Sie existierte bisher nur in meiner Einbildung. In diesem Dickicht hausten verschiedene Raubtiere, die die schwächeren Tiere fraßen. Wie anderswo, so wurde auch hier ein unaufhörlicher Kampf ums Dasein geführt. Deshalb verursachte das neuerschienene zweibeinige Geschöpf allgemein Angst und Panik. Nur der Jaguar erschrak nicht vor mir, aber auch er entschloß sich nicht, den Menschen anzugreifen, sondern zog sich zurück.
Ich hob den Pfeil auf und besah mir die Stelle, wo vorhin die drei Hasen gesessen hatten. Es mußte hier viel von diesem Kleinwild vorhanden sein. In den Sträuchern kreuzten sich zahlreiche Fährten.
Ich sagte mir, es verlohne sich, eines Tages hierherzukommen und Schlingen, ähnlich denen für die Eidechsen, auszulegen. Kaum hatte ich mich hundert Schritt von dieser Stelle entfernt, als ich wie angewurzelt stehenblieb. Zwischen den Sträuchern trat hier und da kahler Kalkboden zutage, und an einer solchen unbewachsenen Stelle erblickte ich mit einmal eine zu einem Knäuel zusammengerollte Schlange. Sie wärmte sich an der Morgensonne und schlief anscheinend. Ich wollte den Bogen anlegen, gab diese Absicht aber auf. Behutsam schlich ich mich noch näher heran. Als das erwachte Reptil plötzlich den Kopf emporhob und mich zischend mit einem giftigen Blick seiner kleinen Augen durchbohrte, versetzte ich ihm mit dem Spieß einen kräftigen Hieb wie mit einem Hammer. Die Schlange fuhr hoch, hatte aber keine Kraft mehr. Noch einige Schläge, und sie war erledigt.
Ihre Länge betrug etwa sechs Fuß, ihren verhältnismäßig dicken Leib schmückte eine schöne schwarzbraune, zickzackförmige Zeichnung. Zwar kannte ich diese Gattung nicht, als ich aber mit Hilfe zweier Stöcke ihr Maul aufriß, erblickte ich darin neben anderen zwei große Giftzähne. Ich zuckte zusammen bei dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn ich meinen Weg fortgesetzt und die Schlange mich gebissen hätte. Von nun an beobachtete ich aufmerksam auch den Erdboden vor mir.
Seit Sonnenaufgang waren zwei Stunden vergangen, als ich an einen kleinen See kam, dem mein Bach entsprang.
Mit Schilf und verschiedenartigen Sumpfpflanzen bewachsener Morast breitete sich rings um den See, der von einem Ufer zum andern eine Länge von einer Viertelmeile aufwies. Nur an einer Stelle gab es einen Zugang zum offenen Wasser. Rund um den See stand dichter tropischer Urwald, der jedoch nicht näher als bis auf einige hundert Schritt an das Wasser heranreichte. Aus den Binsen am Ufer erklang lärmendes Vogelgezwitscher. Wildenten und ähnliche Vögel schwammen in der Mitte des Sees und trieben ihr lustiges Spiel; im Bruch dagegen standen auf langen Beinen, halbverdeckt im Grün,
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