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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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auch die lebenden Eidechsen unter, da ich auf ihr friedliches Zusammenleben mit den Hasen hoffte.
    Als ich die ersten Schwierigkeiten überwunden und mein Dasein einigermaßen gesichert hatte, konnte ich aufatmen. Ich dachte daran, nach dem Vorbild Robinson Crusoes einen
    Kalender anzulegen; doch kam mir dieser Gedanke zu spät, ungefähr einen Monat nach meiner Ankunft auf der Insel. Die Tage gerieten mir wie Kraut und Rüben durcheinander, und ich wußte nicht mehr, wann Sonn-und wann Werktag war. Behalten hatte ich nur, daß das Schiff in den ersten Märztagen unterging, so daß es jetzt Anfang April sein mußte. Als Datum nahm ich aufs Geratewohl den zehnten April an und machte nun täglich eine Kerbe in der Rinde des nächsten Baumes. Ich schrieb: Jahr des Herrn 1726.
    Die Hungergefahr war endlich vorüber, und meine Gesundheit besserte sich zusehends. Immer öfter beschäftigte ich mich nun mit dem Gedanken, wie ich diesem Inselgefängnis entrinnen könnte. Die Sehnsucht nach den Menschen und ihrer Welt verzehrte mich. Jetzt kletterte ich bereits täglich auf den Gipfel der Anhöhe und schaute aufs Meer hinaus. Nichts als eine leere Fläche starrte mir entgegen: im Norden die Umrisse einer Insel, im Süden wahrscheinlich die des Festlandes, sonst nichts, nur eine hoffnungslose Wasserwüste und keine Spur menschlichen Lebens.
    Da sich meine Anhöhe, wie ich schon erwähnte, am Ostrande der Insel erhob, wollte ich nächstens das Südufer erkunden und von dort, aus größerer Nähe, das gegenüberliegende Ufer betrachten. Um die Insel zu verlassen und die Meerenge zu überqueren, bedurfte es eines guten Bootes. Konnte ich' aber, da ich außer einem Jagdmesser keinerlei Werkzeuge besaß, von einem Boot auch nur träumen? Der mit Beilen und Äxten, allerhand Waffen und Lebensmittelvorräten ausgerüstete Robinson Crusoe ist, im Vergleich mit mir armem Teufel, ein mächtiger Lord gewesen.
    Ich verlor aber keinen Augenblick den Mut. Wenn ich nur gesund blieb, ich würde mir schon etwas einfallen lassen. Die Zeit verging rasch bei der Arbeit. Im April herrschte heiteres Wetter, es regnete selten; nur nahm die Hitze immer mehr zu, und die Sonne, die sich bisher im Süden gehalten, stand nun senkrecht über meinem Kopf. Um zwölf Uhr befand sie sich gerade über mir, so daß ich gar keinen Schatten warf. Späterhin wanderte sie noch weiter nach Norden, wo sie dann, zu meiner großen Verwunderung, um die Mittagszeit stand.
    Wie ich schon sagte, war ich nicht untätig. Die täglichen
    Ausflüge zum See des Überflusses versorgten mich und mein Hausvieh mit Nahrung. Der Bogen, der in meinen Händen immer leistungsfähiger wurde, lieferte oft Wild, und die Hasen fielen wie behext in die aufgestellten Fallen. Im Laufe eines Monats fing ich an dieser Stelle mehr als ein Dutzend, so daß es schwierig wurde, sie in meiner Grube zu zählen.
    Als sich die Hitze steigerte, begannen mir die dicken Beinkleider, Strümpfe und Schuhe lästig zu werden. Oft nahm ich sie ab, wenn ich es auch nicht gern tat, denn ich war an die Nacktheit nicht gewöhnt und schämte mich vor mir selbst. Ich mußte mich vor allerlei bissigen Insekten, wie Mücken, Zecken und Wespen, in acht nehmen. Ein struppiger Bart war mir gewachsen, und als ich einmal in stillem Wasser mein Spiegelbild erblickte, erschrak ich beinah vor meiner Räuberfratze.
    Ende April durchlebte ich Tage voller Angst und großer Aufregung. In meiner Nachbarschaft befand sich ein gefährliches Raubtier, daß meinem Gehege Besuche abstattete. Dies geschah so listig und geheimnisvoll, daß ich es anfangs für den Teufel hielt, der mir nachts den Schlaf raubte.
    Es begann damit, daß mir eines Tages einige Hasen fehlten. Ich besaß eigentlich sechzehn Stück, fand jedoch nur vierzehn vor. In den Zweigen, die das Dach der Grube bildeten, entdeckte ich eine kleine Öffnung, doch konnten sich die Zweige auch zufällig gelockert haben. Andere Spuren bemerkte ich in der Nähe nicht. Das Gras hier hatte ich selbst ganz zertreten.
    Am folgenden Tage zählte ich elf Hasen. Es war unmöglich, daß drei der Tiere herausgesprungen sein sollten. Wiederum stellte ich ringsum keinerlei Krallenspuren fest, nur waren die Grubenwände an einer Seite unwesentlich eingefallen, als sei hier jemand fehlgetreten. Die Hasen verschwanden niemals nachts, sondern immer am Tage, und um diese Zeit mußte ich doch immer auf einige Stunden in den Wald nach Proviant gehen. Mit satanischer Regelmäßigkeit hatte ich

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