Die Insel der Verdammten
krummschnäbelige, schöne, rosarote Flamingos. Die Überfülle an Vögeln aller Art gaukelte mir aufs neue das Bild eines
Paradieses vor, eingedenk jedoch der Erfahrung mit den Hasen, wußte ich, daß ich nur die Nase hinauszustecken brauchte, damit all das im Nu erschrocken Reißaus nähme. So blieb ich denn mäuschenstill hinter dem Baum stehen und ergötzte mich am Anblick dieser reichen Vogelwelt.
In der Nähe raschelte etwas. An einer Stelle schwankten heftig die Wipfel einer hohen Sumpfpflanze; Brechen des Schilfs und trockenes Knistern waren zu hören. Das Tier, das dort einherstrich, schien von ansehnlicher Größe zu sein. Der Baum, hinter dem ich mich versteckt hielt, stand auf einer kleinen Anhöhe; doch konnte ich, obwohl ich den Hals wie ein Kranich streckte, meine Neugier nicht befriedigen. Auf den Baum zu klettern wäre auch zwecklos gewesen, denn ich hätte damit das nahe Wild verscheucht. Ich brauchte nicht lange zu warten, als sich das Glück von selbst einstellte.
Die Schilfwand teilte sich. Das Tier trat, nicht mehr als fünfzig Schritt von mir entfernt, auf die Wiese heraus. Es sah aus wie ein halbjähriges Ferkel. Sein Kopf war riesig und wirkte geradezu komisch, den fetten Leib umhüllte graue Wolle. Auf den ersten Blick glaubte ich, eine mißgestaltete Schweinegattung vor mir zu haben, jedoch war es kein Wildschwein. Hinter diesem ersten Tier tauchten vier weitere auf, von denen das eine ausgewachsen und die drei anderen Frischlinge waren. 8
Diese ganze Familie verließ gemächlich das sumpfige Ufergelände und strebte dem Walde zu. Sie bewegte sich in meiner Richtung. Ich spannte langsam den Bogen.
Die Tiere kamen näher, ohne die Anwesenheit eines Menschen zu ahnen. Einer der Frischlinge entfernte sich ein wenig von der Herde und nahte sich mir auf kaum zehn Schritt. Als er seitlich an mir vorbei wollte, schoß ich. Der Pfeil pfiff durch die Luft. Er traf und durchschlug das weiche Fleisch. Das Tier quiekte nur leise und schmerzlich und wand sich bereits in den letzten Zuckungen. Die anderen retteten sich durch die Flucht.
Ich konnte mich vor Freude kaum fassen, als ich auf die
Beute zustürzte. Ausgezeichnet hatte ich getroffen! Das Tier lebte nicht mehr. An den Zähnen sah ich, daß es ein Nagetier war. Es wog gut zehn Pfund, hatte also schon in der Jugend etwa die doppelte Größe eines Hasen. Ich weidete es auf der Stelle aus und tat es in den Korb auf der Schulter.
Mein guter, lieber Bogen! Lächelnd streichelte ich meine Waffe, als sei sie ein lebendes Wesen.
Lohnte es sich, mit einer solchen Last noch weiter zu gehen? Die Sonne stieg, und die Hitze wurde von Minute zu Minute unerträglicher. Ich kehrte daher um und nahm mir vor, am nächsten Tag die Wanderung in diese Richtung vor dem Morgengrauen anzutreten.
Ich dachte darüber nach, wie ich den entdeckten kleinen See nennen solle. Es ging nicht an, diese an Wild und Vögeln reiche Stelle ohne Namen zu lassen. Der Name fand sich bald: „See des Überflusses".
Die Frage, wie ich meine Papageien ernähren sollte, blieb leider ungelöst und war immer noch ein brennendes Problem.
Die Königsschlange
W ie empfindlich litt ich doch unter dem Mangel an Feuer! Das fette Tier hätte, am Rost gebraten, vorzüglich geschmeckt. So mußte ich mich eben mit rohem Fleisch begnügen. Ich verzehrte ein ordentliches Stück davon und verwahrte den Rest im Hintergrund der Höhle, wo es nicht ganz so heiß war wie draußen.
Vor zwei oder drei Tagen hatte ich am Meer einen kleinen, dem Feuerstein ähnlichen Stein gefunden. Ich schlug kräftig mit ihm gegen andere Steine, jedoch ohne Erfolg. Es sprangen keine Funken.
Am Tage nach der Entdeckung des Sees des Überflusses verließ ich die Höhle so früh am Morgen, daß es erst zu tagen begann, als ich das Hasenrevier erreichte. Ich brachte eine Anzahl Schlingen mit, die ich im Gebüsch an den Pfaden und Fährten der Hasen auslegte.
Am See des Überflusses fand ich die ganze Pracht der Vogelwelt vor. Kollern, Piepsen, Kreischen und Flügelschlagen vereinigten sich zu einem Morgenkonzert. Ich achtete darauf, keine Panik auszulösen, und wartete geduldig auf ein größeres Wild. Diesmal erlebte ich jedoch eine Enttäuschung, obwohl es nicht an frischen Fährten fehlte und die Erde gründlich zerwühlt war.
Wahrhaftig: ein See des Überflusses! Ich umkreiste ihn im Halbrund und wanderte dann in der ursprünglichen Richtung weiter. Hier gab es keinen Bach mehr, sondern nur noch Ur wald. Kaum
Weitere Kostenlose Bücher