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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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kannte. Als ich bei der Ankunft der Menschenfresser auf der Insel angelangt war, ließ ich mich eingehender über die Befreiung Freitags aus, über seine unermeßliche Dankbarkeit, seine lobenswerte Anhänglichkeit an Robinson. Die wärmsten Worte fand ich für seinen lebenslänglichen treuen Dienst an seinem Herrn, einen Dienst, den Freitag als sein höchstes Lebensglück betrachtete, als ein so großes Glück, daß er kein anderes kennen wollte.
    Die Jungen hörten mit großer Neugier zu, war es doch eine höchst unterhaltsame Geschichte, die sich hier, in der Nähe ihrer Heimat, zugetragen hatte und einen ihrer Landsleute betraf, der ihnen selbst nach Alter und Abstammung glich. Arnaks Gesicht drückte wie gewöhnlich keinerlei Ergriffenheit aus. Seine Augen waren ruhig, aber in ihnen glomm ein Funke, den ich vorher noch nie darin bemerkt hatte.
    „Eine interessante Geschichte, nicht wahr?" Ich unterbrach das lange Schweigen, das an der Feuerstelle eingetreten war, nachdem ich die Erzählung beendet hatte.
    Mit einem Kopfnicken gaben sie mir recht.
    „Dieser Freitag", fuhr ich fort, „fand eine große Lebensfreude darin, seinem Herrn so vortrefflich dienen zu dürfen. Er lebte, wie man sagt, auf Rosen gebettet. Viele Menschen wären gern an seiner Stelle gewesen und beneideten ihn um das Glück, das ihm zuteil wurde ..."
    Die Jungen schwiegen, sie starrten unverwandt in das Feuer. Ihre Mienen waren ausdruckslos.
    „Teilt ihr nicht meine Ansicht?" fragte ich verwundert.
    Nach einer Weile murmelte Arnak undeutlich:
    „Nein, Herr."
    „Nein?"
    „Nein", wiederholte Arnak und sah mich furchtsam an.
    „So hast du vielleicht meine Erzählung nicht verstanden?"
    „Ich habe sie verstanden."
    „Und glaubst du nicht, daß Freitag glücklich war?"
    „Ich glaub's nicht, Herr. . ."
    Er wollte noch etwas sagen, geriet aber aus der Fassung. Er fürchtete meinen Zorn.
    „Sag aufrichtig, was du denkst", ermunterte ich ihn freundlich.
    „Freitag", erklärte Arnak, „war ein Sklave des Herrn Robinson. Ich gebe zu, daß ich im ersten Augenblick verblüfft war.
    „ Ein Sklave?"
    „Ja, Herr, ein armer Sklave."
    Ich begann, Arnaks Gedankengänge zu enträtseln. Ich kannte das Leben und die Sitten der nordamerikanischen Indianer gut, und das half mir jetzt, in die Begriffswelt meiner Kameraden einzudringen.
    Die primitiven, halbwilden Indianerstämme, darunter sicherlich auch die Arawaken, bildeten lose Gemeinschaften freier Menschen, die nur die einfachen, zur Erhaltung des Lebens notwendigen Arbeiten verrichteten. Mit einem Wort, sie kannten nicht jene komplizierten Arbeitsformen und die Abhängigkeit des einen vom, ändern, die unsere Gemeinschaft zivilisierter Menschen kennzeichnen. Gewiß machten die Indianer im Kriege Gefangene, aber nur, um sie als Gleiche unter Gleichen in ihre Stämme einzugliedern oder sie um irgendwelcher dunkler religiöser Bräuche willen zu töten. Eine Sklaverei — zumindest eine solche wie die unsere — gab es, soviel mir bekannt ist, bei ihnen nicht. Erst die Europäer haben sie in brutalster Weise auf ihren Plantagen und in ihren Bergwerken eingeführt. Bei den Indianern gab es auch keinerlei anderen, weder freiwilligen noch erzwungenen, Arbeitsdienst. Daher war Freitags Verhältnis zu seinem Herrn, dem er mit Leib und Seele ergeben diente, für Arnak und Wagura auch völlig unverständlich und unvorstellbar. Wenn Freitag auch sein Leben lang für Robinson gearbeitet hatte, so betrachteten ihn meine jungen Kameraden in ihrer einfachen Vorstellung dennoch als Sklaven eines weißen Herrn, und wenn er darüber noch glücklich war, so mußte er ihrer Meinung nach nicht ganz bei Sinnen gewesen sein.
    Ich gab mir Rechenschaft darüber, daß ich, um zum Ziele zu gelangen und die jungen Indianer an die Rolle Freitags zu gewöhnen, so manchen Widerstand zu brechen hätte, aber das schreckte mich nicht, sondern steigerte noch meine Ungeduld. Vielleicht meldete sich in mir auch wieder der Stolz des eingefleischten Virginiers. Ich übertraf die Grünschnäbel an Intelligenz, Erfahrung, Alter, Muskelkraft und vor allem an überlegener Willensstärke — warum sollte ich ihnen nicht meinen Willen aufzwingen, sie nicht meinen Erfordernissen anpassen können?
    Nochmals führte ich ihnen in verlockenden Farben das Leben Freitags vor Augen und erklärte in einfachsten Worten den Unterschied zwischen dem freiwilligen Diener und dem Sklaven. Die Jungen hörten zerstreut zu, waren verschlossen und schauten

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