Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
Vom Netzwerk:
Unterstützung sicher war. Daher wandte ich mich mit der Frage an sie, was wir tun sollten.
    „Jetzt umzukehren wäre Dummheit!" erklärte Manauri. „Es bleibt nichts übrig als weiterzugehen."
    „Und deine Krieger? Sind alle derselben Meinung?"
    „Alle!" schrie von hinten einer für alle anderen.
    Mit einemmal spitzten wir die Ohren: Andere Laute als bisher erreichten uns. Neben verschiedenen von der hiesigen schwülen Nacht untrennbaren Geräuschen und Stimmen unterschieden wir jetzt einen ganz besonderen Lärm. Das Gehör täuschte uns nicht: Es war Hundegekläff — das dumpfe, verbissene Kläffen großer Hunde.
    Sie haben Hunde! ging es wie ein frostiger Hauch durch unseren Zug.
    Nochmals schärfte ich den Leuten die Belehrung von vorhin ein, die sie sich gut einprägen sollten:
    „Nur Bogen, Spieße, Stöcke, Messer! Gewehre allein auf meinen ausdrücklichen Befehl! — Die Spanier dürfen nicht wissen, daß wir welche besitzen."
    „Jan!" fragte mich Arnak. „Wie werden wir uns, sollten sie uns trennen, verständigen, da wir doch nicht laut rufen dürfen?"
    „Du denkst auch an alles, Arnak. Richtig, ich habe das Verständigungszeichen vergessen. Welches wählen wir?"
    Eine bestimmte Grillenart stieß ein sich ständig wiederholendes kurzes Zischen aus: tss, tss, tss! Es war leicht nachzuahmen. Zu unserem Warnruf auf kurze Entfernung wurde das dreimalige tss jener Grille und auf weitere Entfernung die Stimme des schwarzen Kuckucks bestimmt.
    Der Marsch durch das stachlige, zumeist von Agaven und Kakteen durchsetzte Gebüsch ging ungehindert vonstatten. Die Sträucher bildeten kein geschlossenes Dickicht, oft standen sie vereinzelt, und zwischen ihnen erstreckten sich hie und da unfruchtbare Kahlstellen und kleine Lichtungen. Arnak führte uns ausgezeichnet. Befriedigt, ja bewundernd be-
    obachteten wir sein Verhalten. In dieser schweren Stunde enttäuschte er nicht die Hoffnungen, die ich in ihn gesetzt hatte.
    Das helle Mondlicht begünstigte uns, konnte aber anderseits den Feinden unsere Anwesenheit leicht verraten. Wo es irgend möglich war, hielten wir uns im Schatten.
    Vor uns bellten da und dort Hunde. Wir kamen ihnen immer näher. Sie mußten uns jeden Augenblick wittern. Aufs neue wurde ich von Zweifeln geplagt. Konnte ich es mit meinem Gewissen vereinbaren, daß ich diese Menschen zu einem so gefährlichen Unternehmen führte? Wie ein Alpdruck quälte mich die Unzulänglichkeit unserer Bewaffnung im Vergleich mit derjenigen der Spanier. War es nicht vermessen, sich diesem Feind zu stellen? Sollten wir nicht doch lieber umkehren?
    Ich betrachtete aufmerksam meine Kameraden. Arnak bahnte den Weg an der Spitze des Zuges. Auf seinem düsteren Gesicht malten sich Mut und Verbissenheit, aus jeder seiner Bewegungen sprach Willensstärke. Die zusammengepreßten Lippen Manauris verrieten Entschlossenheit und Starrsinn, wie ich sie an dem gesetzten Indianer bisher nicht kannte. Wagura horchte in grimmiger Erregung auf die Geräusche vor uns und hielt schon jetzt den vergifteten Pfeil an der Sehne des Bogens abschußbereit. Der nächste Krieger, Raisuli mit Namen, gehörte zu jenen drei Indianern, die seit langem mit der Feuerwaffe vertraut waren. Die Muskete über die Schulter gehängt, Bogen, Pfeile und Stock in den Händen, schritt er begeistert voran und durchbohrte mit seinen Blicken das Gebüsch, in dem er den Feind vermutete. Genug! Ich begriff, daß keine Macht imstande war, diese Menschen zurückzuhalten. Sie gingen vorwärts, weil allein dieser Weg sie der Freiheit entgegenführte. Ich schämte mich, daß ich einen Augenblick zweifeln konnte.
    Vor uns lag eine Lichtung im Mondschein, mit kümmerlichem Gras bewachsen, stellenweise — wie an vielen Orten der Insel — nur mit Sand bedeckt. Sie war lediglich einen guten Flintenschuß breit, hatte jedoch eine ansehnliche Länge, denn sie erstreckte sich vom Meeresufer in gerader Richtung wohl tausend Schritt weit in die Insel hinein. Wir überlegten,
    ob es ratsam sei, die offene Fläche zu überqueren oder sie zu umgehen, als vom Gebüsch auf der entgegengesetzten Seite scharfes Knacken von Zweigen und nahes Hundegebell zu uns drangen.
    „Er kommt", warnte Arnak.
    „Versteckt euch!" befahl Manauri flüsternd.
    Aus dem gegenüberliegenden Gesträuch lief kein Hund, sondern ein Mensch heraus. Er strauchelte, stand auf und rannte auf uns zu. Man sah, daß er die letzten Kräfte anspannte; die Knie wankten unter ihm. Es war eine Frau, eine Negerin

Weitere Kostenlose Bücher