Die Insel der verlorenen Kinder
zurück, wo sie nun wieder ungeduldig mit den Fingern klopfte und darauf wartete, dass endlich jemand anrief. Was für ein Quatsch, dass Crowley seine Zeit mit Peters Befragung verplemperte. Irgendwie schienen alle nur kostbare Zeit zu vertun.
Nach einer Weile kam Pat und hielt neben der Ladenkasse eine kleine Pressekonferenz ab, den Arm um die leise schluchzende Trudy Florucci gelegt.
«Solche Zeiten», sagte Pat, «schweißen eine Gemeinschaft zusammen. Die Bürger von Pike’s Crossing stehen im Angesicht einer Tragödie nicht einfach tatenlos da. Nein, die Menschen von Pike’s Crossing werden etwas unternehmen und dieses kleine Mädchen finden. Glauben Sie mir: Wir werden Ernestine Florucci finden. Wir werden nicht eher ruhen, bis sie wieder sicher und gesund in den Armen ihrer Mutter liegt.»
Rhonda fing Warrens Blick auf. «Ach Gott, hoffentlich hat sie recht.»
«Bestimmt», antwortete Warren, der auf seiner Unterlippe herumkaute. «Tante Pat irrt sich so gut wie nie. Und wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, lässt sie sich nicht mehr aufhalten – sie ist dann wie eine Naturgewalt.»
Rhonda blickte sich um, bedachte, welchen Sturm von Aktivitäten Pat in den letzten vierundzwanzig Stunden entfesselt hatte, und nickte. «Das glaube ich ohne weiteres.»
Bald waren Rhonda und Warren die einzigen Helfer im Raum. Peter wurde noch immer von Crowley festgehalten, die anderen waren nach und nach gegangen.
«Dann glaubst du also, dass sie recht hat?», fragte Rhonda.
Warren stellte seinen Pappbecher mit Kakao hin, beugte sich zu ihr vor und flüsterte beinahe: «Willst du wissen, was ich glaube?»
Flirtete er etwa mit ihr? Hatte
sie
selbst vielleicht damit angefangen?
Rhonda hatte plötzlich ein grauenhaft schlechtes Gewissen. Wie konnte sie auch nur daran denken, mit diesem Typ, der für sie nicht zu haben war, irgendetwas anzufangen, während Ernie Florucci noch immer vermisst wurde, weil der Hase sie gefangen hielt – und ihr womöglich noch Schlimmeres antat.
«Was auch immer geschieht, wir müssen positiv denken», erklärte Warren, als hätte er ihre Gedanken gelesen. «Unsere Einstellung ist wichtig, Rhonda. Daran glaube ich fest.» Er lehnte sich im Stuhl zurück, schloss eineWeile fest die Augen, schlug sie dann wieder auf und sah sie an.
Rhonda schüttelte den Kopf. «
Taten
sind wichtig», entgegnete sie. «Ernie wird nicht einfach von sich aus zurückspaziert kommen. Jemand muss sie finden.»
Gerade als die Pressekonferenz zu Ende ging, kam eine Frau in Krankenschwesterntracht und weißen Clogs herein. Ihr folgte ein Mädchen, das Rhonda auf etwa zwölf Jahre schätzte. Es war mit einem ziemlich schweren Rucksack beladen und wirkte erhitzt und außer Atem.
Die Frau in Weiß umarmte Trudy und flüsterte ihr etwas zu. Das Mädchen kam sofort zu den Klapptischen, machte den Rucksack auf und holte zwei große Plastikdosen hervor.
«Ich hab euch Cookies und Brownies mitgebracht, Leute», sagte sie strahlend. Sie hatte zwar Rhonda mit angesprochen, war aber eindeutig auf Warren konzentriert, der mit seinem strubbeligen Teddybär-Look der Traum jedes Teenie-Girls sein musste. «Ich hab sie selbst gebacken. Ich heiße Katy», sagte sie und reichte Warren die Hand. «Ich bin Ernies Cousine.»
Sie trug Jeans, Leinenturnschuhe und ein schwarzes T-Shirt , das mit einer großäugigen Manga-Figur bedruckt war.
Sie reichte Rhonda die Hand, richtete aber selbst beim Händeschütteln ihre Aufmerksamkeit weiterhin auf Warren. Das Mädchen hatte sein langes, glattes blondes Haar hinten zum Zopf geflochten. Es trug eine Zahnspange, wirkte deswegen aber kein bisschen befangen. BeimLächeln sah man ihre Zähne, und der Draht blitzte auf wie Silberschmuck.
Warren öffnete die Dose mit den Schoko-Brownies und bediente sich. «Die sehen toll aus. Du bist unsere Retterin.»
Katy schnappte sich einen leeren Stuhl, stellte ihn mit der Rückenlehne nach vorn zu Rhonda und Warren und setzte sich dann verkehrt herum darauf, den Sitz rittlings zwischen den Beinen und die Arme fest um die Holzlehne geschlungen.
«Gibt’s irgendwas Neues?», fragte sie. Wieder war die Frage unverkennbar an Warren gerichtet.
«Hier bei uns nicht viel. Außer dass Crowley inzwischen schon seit einer Dreiviertelstunde mit Peter redet, dem Mechaniker, der hier arbeitet», berichtete Warren.
«Meine Mom hat gesagt, sie hätten den Wagen gefunden, in dem der Kerl gefahren ist, aber die Besitzerin hätte wahrscheinlich
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