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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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unter der Bühne.
    «Jetzt runter mit dir und schau nach», befahl Peter.
    «Vielleicht ist das hier doch keine so gute Idee», sagte Rhonda.
    «Los, Lizzy, das klappt schon», versprach Tack.
    «Du musst nicht, wenn du nicht magst.» Rhonda legte Lizzy die Hand auf die Schulter. Doch Lizzy schüttelte sie ab und ging ganz vorsichtig auf alle viere hinunter. Als sie unters Bett blickte, stieß sie einen Schrei aus, von dem sich Rhonda die Haare sträubten.
    «Zieh ihn raus», befahl Peter.
    «Nein!», heulte Lizzy.
    «Helft ihr», befahl Peter den beiden anderen Mädchen. Rhonda und Tack gingen ebenfalls auf Hände und Knie hinunter und halfen Lizzy, die Gestalt unter dem Bett hervorzuziehen.
    Als Rhonda die großen schwarzen Augen sah, die sie anstarrten, hätte sie selber fast einen Schrei ausgestoßen. Zuerst hatte sie Angst, die Hand nach der Gestalt auszustrecken und richtig zuzugreifen. Lizzy an ihrer Seite weinte leise.
    Peter hatte aus alten Kleidern seines Vaters einen Lumpenmann gebastelt. Der Kopf war ein Nylonstrumpf, mit einer alten Kissenfüllung ausgestopft. Peter hatte ihm riesige Filzaugen aufgeklebt, die fast so aussahen wie die einerEule. Das Gesicht bestand nur aus Augen – zwei riesige, schwarze Filzovale ohne Nase oder Mund.
    «Der ist wirklich verdammt unheimlich», räumte Tack ein, als sie den Lumpenmann hervorgezogen hatten und ihn im Licht betrachteten.
    Peter reichte Lizzy ein Küchenmesser, und die sah erst das Messer an, dann die Puppe und dann Peter.
    «Bring ihn um, Lizzy», sagte Peter. «Bring den Schwarzen Mann um.»
    Erst zögerte sie, doch dann fiel sie über ihn her. Sie stach immer wieder tief in den Lumpenmann hinein, und Füllung quoll aus seinem Kopf. Das Messer ging durch den Körper hindurch bis in den Boden.
    Lizzy stach zu, bis sie erschöpft und ausgeweint war. Dann brach sie auf dem Boden zusammen. Tack trat zu ihr und strich ihr durchs verfilzte, fettige Haar.
    «Du hast es geschafft, Captain», flüsterte Tack.
    «Es ist noch nicht alles erledigt», erklärte Peter. «Jetzt müssen wir ihn begraben.»
    Sie schleppten den Lumpenmann in den Wald – immer wieder mussten sie sich bücken, um Teile von ihm einzusammeln – und hielten dort eine lange Bestattungszeremonie ab. Peter grub neben der Bühne ein tiefes Grab, und dort warfen sie den Schwarzen Mann hinein.
    «Holt Steine», sagte Peter. Und sie alle sammelten Steine, große und kleine, und warfen sie auf die Schreckgestalt in der Grube.
    «Das ist, damit er nicht wiederaufersteht», erklärte Peter.
    Alle waren verschwitzt und dreckig. Rhonda taten dieHände vom Steineschleppen weh. Lizzy hatte Hut, Haken und Stiefel ausgezogen und sah ein bisschen mehr wie die alte Lizzy und weniger wie ein Pirat aus.
    Peter reichte jedem ein Blatt Papier und einen Stift.
    «Schreibt das auf den Zettel, wovor ihr die größte Angst habt», forderte er die anderen auf.
    Rhonda fiel erst gar nichts ein. Dann kritzelte sie:
Dass Peter mein Bruder ist. Dass er mit Tack zusammenbleibt. Dass Dad Aggie mehr liebt als Mom. Dass Lizzy wirklich verrückt wird.
    Sie wollte schauen, was Lizzy auf ihrem Zettel notiert hatte, doch die bedeckte ihn mit der Hand. Und was Peter wohl geschrieben haben mochte? Oder Tack? Die hatte doch bestimmt vor gar nichts Angst.
    Jeder faltete seinen Zettel zusammen und warf ihn auf den Lumpenmann in der Grube.
    «Lebt wohl, Ängste», sagte Peter.
    Gemeinsam schaufelten sie das Grab zu und vollführten dann einen wilden Tanz. Sie schwenkten die Arme und kickten mit den Füßen à la
Rockette
, voller Gewissheit, dass Lizzy und sie alle geheilt waren. Jetzt brauchten sie vor nichts mehr Angst zu haben.

s?
    17.   Juni 2006
    Als Warren ging, war es beinahe drei. Rhonda duschte sich, wusch das Geschirr ab und legte sich dann zum Ausruhen aufs Sofa. Sie schlief ein und hatte wieder einen verschwommenen Traum, in dem sie dem Hasen nachjagte und ins Kaninchenloch stürzte. Diesmal war es Lizzy, die sie am Ende des Traums unten im Bau fand. Lizzy in ihrem Captain-Hook-Kostüm, nur dass diesmal nicht der Haken die eine Hand ersetzte, sondern ein blutiger Hammer aus ihrem Ärmel ragte.
    Rhonda riss die Augen auf und blickte auf den Wecker: Es war beinahe sieben.
    Fluchend rappelte sie sich auf, nahm das Telefon und wählte Peters Nummer.
    «Ronnie, ich war gerade auf dem Weg zur Tür.»
    «Wir müssen miteinander reden, Peter.»
    «Na ja, vielleicht können wir uns morgen treffen. Morgen Nachmittag habe ich

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