Die Insel und ich
aus der Ferne vernehmen konnte.
Die Bäume hingen so voller Früchte, daß fast jeder Zweig mit einem Pfahl hatte gestützt werden müssen. Die Pfirsiche waren sehr groß, ein köstlich goldenes Gelb mit feurigen Wangen. Ihre Farbe bildete einen herrlichen Kontrast zu dem enzianblauen Himmel und den spitzen, seidenweichen grünen Blättern. ‹Das ist das wahre Leben!› dachte ich, während ich träumerisch eine goldene Frucht abdrehte und in den Korb zu den andern runden goldenen Früchten legte. Schönheit und Freiheit – und dann dieser Herbst und das Erntegefühl! Das sollte mein zukünftiger Beruf sein. Ich sah uns schon alle vier unterwegs zum Apfelsinenhain oder dem Apfelgarten, glücklich singend! Was für ein herrliches Leben! Ganz zu schweigen von den sieben oder acht Dollar täglich – warte mal, acht mal vier ist zweiunddreißig – zweiunddreißig Dollar täglich, hurra! Ich faßte nach oben, pflückte mir einen kleinen, reifen roten Pfirsich, biß in die saftige, sonnenwarme Frucht und fiel fast von der Leiter, als eine näselnde Stimme unter mir sagte: «Nummer Siebenundzwanzig, Sie haben zwei Fingerabdrücke, und überhaupt pflücken Sie die Bäume nicht gründlich leer!»
Schnell stopfte ich den angebissenen Pfirsich in die Kiste, mit dem Biß nach unten, würgte hinunter, was ich noch im Mund hatte und sagte: «Meinen Sie, daß ich reife Früchte dranlasse, Mrs. Swensen?»
«Allerdings», sagte sie. «Kommen Sie mal her!»
Ich kletterte nach unten. Sie musterte meine Holzsandalen durch ihre Stahlbrille und sagte: «Was um Himmels willen haben Sie denn an den Füßen?»
«Holzsandalen», sagte ich. «Die tragen wir bei uns am Strand.»
«Mag ja für den Strand angehen, aber zum Pfirsichpflücken sind sie vollkommen ungeeignet!» sagte sie. «Sehn Sie mal, dieser Pfirsich ist reif!» Und sie drehte ihn geschickt ab. «Und dieser auch. Und dieser! Und dieser da! Wo ist Ihr Gatter, Mrs. MacDonald?»
«Oben auf der Leiter. Ich kann’s ja holen.»
Als ich es heruntergeholt hatte, faßte sie sofort hinein und hatte im Nu den kleinen Pfirsich erwischt, den ich hatte essen wollen. «Dieser ist zu klein», sagte sie. Dann sah sie die angebissene Stelle und rief: «Und es wird nicht gestattet, Früchte zu essen. Schließlich gehört das Obst Mr. und Mrs. Hawkins, und es stellt Geldeswert dar. Wenn wir ihr Obst nehmen, bedeutet das, ihr Geld nehmen.»
Sie reichte mir den angebissenen Pfirsich, und mit hängendem Kopf nahm ich ihn in Empfang. «Und nun will ich mal sehn, wie Sie pflücken», rief sie energisch. «Sie scheinen sehr langsam zu sein.»
Ich reichte nach oben und faßte einen Pfirsich, der reif aussah, aber anscheinend mit Zement angeklebt war. Ich drehte und drehte und drehte, aber er blieb dran.
«Ich werd’s Ihnen zeigen», sagte Mrs. Swensen und hatte den Pfirsich schon in der Hand.
Mrs. Swensen hatte große, weite, senffarbene Hosen an, dazu eine langärmlige grüne Seidenbluse und braune Sportschuhe, und auf dem Kopf den großen grünen Strohhut.
Ich sagte: «Es ist wunderschönes Wetter, nicht?»
Sie sagte: «Für die Hawkins’ ist es sehr deprimierend, weil erst so spät mit Pflücken angefangen werden konnte. Halt, da haben Sie einen grünen genommen.»
«Oh, Verzeihung», sagte ich. «Was soll ich damit machen? Ihn wegwerfen?»
«Natürlich nicht. Er wird auch verpackt werden. Aber seien Sie in Zukunft doch etwas vorsichtiger! Sie müssen auch schneller arbeiten. Sie sind sehr weit zurück! Vielleicht könnten Sie die Leiter schneller hinauf-und hinunterklettern, wenn Sie vernünftige Sportschuhe anhätten.»
«Ich kann barfuß gehn», schlug ich eifrig vor.
«Mrs. Hawkins gestattet nicht, daß die Frauen barfuß gehen», sagte sie. «Es sieht ordinär aus.»
Ich sah, daß mir die Sonne senkrecht auf den Kopf brannte.
«Wieviel Uhr ist es, bitte?» fragte ich.
«Ich habe keine Uhr bei mir», sagte sie. «Für mich ist der Tag beendet, wenn meine Arbeit beendet ist.»
Doch da dröhnte es laut, als wenn jemand mit einem Hammer gegen einen Waschkessel schlüge.
«Das ist der Gong, das Zeichen für die Mittagspause», sagte sie und pflückte weiter.
Ich pflückte ebenfalls weiter, weil ich mich fürchtete, vor ihr aufzuhören. Nach zehn Minuten hörte ich, wie Karen und Joan mich riefen:
«Betty, komm doch! Wo bist du denn?»
«Hier unten», rief ich zurück. «Gehn Sie denn nicht zum Lunch?» fragte ich Mrs. Swensen.
«Ich bin nicht hungrig», sagte sie und
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