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Die Insel und ich

Titel: Die Insel und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: betty McDonald
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Beine taten mir weh, und an beiden Hacken hatte ich offene Blasen, die bluteten, und nichts war mir so verhaßt wie Pfirsichpflücken.
    Gegen fünf Uhr verkündete Mrs. Swenson, daß wir bis zum Anbruch der Dunkelheit pflücken müßten, was also gegen zehn Uhr sein würde, denn damals hatten wir «doppelte» Sommerzeit. Ich sagte, daß ich in dem Falle zu Hause anrufen müsse, und sie erwiderte: «Ich weiß nicht, ob das geht. Mrs. Hawkins möchte nicht, daß die Pflückerinnen das Telefon benutzen.»
    «Mir einerlei, was Ihre Mrs. Hawkins möchte», rief ich. «Mein Mann weiß nicht, wo ich bin, und wenn Sie nicht wollen, daß mich die Polizei suchen kommt, dann lassen Sie mich lieber telefonieren!»
    «Nun gut», sagte sie würdevoll, «doch finde ich, so etwas kann besprochen werden, ehe man von zu Hause aufbricht.» «Wieso? Ich bin doch kein Prophet! Gestern hat mir kein Mensch gesagt, daß wir bis zum Dunkelwerden pflücken sollen. Daher dachte ich natürlich, wir könnten um fünf oder halb sechs fortgehen. Wo ist das Telefon?»
    «Ich werde es Ihnen zeigen», sagte sie.
    «Und dann zu Mrs. Hawkins über Sie klatschen», sagte Karen hörbar zu Joan.
    «Paß du ja auf, Fräuleinchen», drohte Mrs, Swensen.
    «Jawohl, Mam», sagte Karen und kletterte flink die Leiter hoch.
    Im Versandschuppen, in dem das Telefon war, standen etwa zwanzig Frauen, sortierten und packten die Pfirsiche und scherzten miteinander. Es klang, als ob ein Wiesel in ein Hühnerhaus eingedrungen sei. Ich konnte nicht einmal meine eigene Stimme hören, als ich unsre Nummer verlangte. Mir schien, als ob Anne sagte, daß sie und Don zu meiner Schwester Alison zum Nachtessen gehen würden, aber ganz sicher war ich nicht. Doch jedenfalls hatte sie verstanden, daß Joan und ich erst spät nach Hause kommen würden.
    Mrs. Hawkins, eine kräftige kleine Frau mit blauen Augen und sonnenverbranntem Gesicht, unterbrach sich im Packen und kam zu mir. «Wie kommen Sie voran?» fragte sie. – «Oh, ganz gut», sagte ich, «aber es ist mir schrecklich heiß. Ich wünschte, ich könnte Shorts anziehen.» – «Weshalb tun Sie’s denn nicht?» fragte sie.
    «Ich dachte, den Frauen wäre es nicht erlaubt?»
    «Unsinn», rief sie. «Wenn Sie wollen, kommen Sie im Badeanzug! Das ist uns ganz einerlei. Wenn Sie nur mit den Pfirsichen vorsichtig umgehen.»
    Ich sah zu Mrs. Swensen hinüber, und sie hatte ihre Lippen wieder zu einer kleinen blaßlila Rosette verzogen.
    Um sechs Uhr machten wir Essenspause. Mrs. Swensen brachte uns Brote und Coca-Cola. Ich hätte zwanzig essen können, aber Joan sah so hungrig aus, sie hätte sicher sechzig geschafft. Mrs. Swensen aß nicht. Sie sei noch immer aufgeregt, sagte sie. «Kann ich dann vielleicht Ihr Brot haben?» fragten Joan und Karen wie aus einem Munde.
    «Meinetwegen», erwiderte sie ungnädig.
    Mit den langen Abendschatten kam ein Lüftchen auf. Ich war jetzt barfuß, und die Erde, die am Nachmittag so sengend heiß gewesen war, fühlte sich jetzt kühl und weich an. Als wir zum Versandschuppen zurückkehrten, machte ich mir Sorgen wegen Joanie. Sie war immerhin erst dreizehn und schien für eine so harte Arbeit noch zu klein und schmächtig. Ich fragte sie, wie es ihr ginge, und sie antwortete: «Prima! Ich habe heut mindestens sieben Dollar achtzig verdient, vielleicht noch mehr! Ist das nicht prima, Mommy? Und du hast ebensoviel verdient!» fügte sie anerkennend hinzu.
    Ich sagte nichts, und sie hakte sich bei mir ein und drückte mich und meinte: «Morgen ist’s schon leichter, Mommy. Karen sagt, der erste Tag ist immer schwer.»
    Ich hatte durchaus nicht die Absicht, den zweiten Tag auszuprobieren, wollte aber jetzt noch nicht darüber sprechen.
    Ich saß ziemlich niedergeschlagen auf der äußersten Ecke der Veranda und staunte, wie die Packerinnen, sogar zwei ganz alte Frauen, munter umherliefen, als ob sie überhaupt nicht müde seien, und sich Jacken und Schals und Lunchbeutel zusammenlasen. Ich beschloß, daß ich mir, wenn ich wirklich noch einen Tag hier arbeiten sollte, eine große Thermosflasche Kaffee mitbringen würde, und dann fiel mir ein, daß ich heute noch keine einzige Zigarette geraucht hatte. Ich zündete mir eine an, und sofort tauchte neben mir aus dem Dunkel Mrs. Swensen auf und sagte: «Mrs. Hawkins gestattet nicht, daß auf ihrem Grundstück geraucht wird.»
    «Schön», sagte ich, «dann werde ich es mir gern von ihr persönlich sagen lassen.»
    Mrs. Swensen verschwand. Joan und

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