Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende
respektlos verhalten, und daher verdiene ich auch all den Spott, der mir zuteilwird.
Sicher habe ich von Glut eine lehrreiche Lektion in Sachen Feldforschung bekommen. Sie ist immer noch eine angriffslustige Dame. Manchmal stelle ich mir meine Schwestern mit ihren Nadelarbeiten und den Modemagazinen vor und frage mich, was Glut wohl von ihnen halten würde, wenn sie ihnen begegnen würde. Ich vermute, nicht viel. Sie ist mit dem Alter nicht weicher geworden. Und da hängt ein gewaltiges Schwert über dem Kamin, das stets gut gepflegt ist …
Ich füge diesem Schreiben einen Stapel weiterer Gespräche bei. Ich habe den Text der nächsten Unterhaltung beinahe beendet, und isi Doth war so freundlich, magisch-beleuchtete Lichtbilder herzustellen, basierend auf den Zeichnungen, die der künstlerisch begabte Botaniker Trekan angefertigt hat. Ich habe eine Zeichnung von Glut beigefügt – oder besser von ihr, wie sie mit dreißig Jahren ausgesehen haben mag.
Ich freue mich darauf, dich nächste Woche bei der Zusammenkunft der Gesellschaft zu sehen.
Tante Rosris wird erfreut sein zu hören, dass ich Miss Anyara isi Teron zu der Veranstaltung begleite, und dass ich keine Unterkunft bei euch guten Seelen benötige – ich werde ein oder zwei Tage mit Anyaras Familie in deren Stadthaus verbringen. Es ist gerade um die Ecke bei der Königlichen Gesellschaft im Zweiten Halbmond.
Stets dein
respektvoller Neffe
Shor iso Fabold
* * *
25
Die Herz der Wahrer befand sich auf dem Rückweg nach Gorthen-Hafen, als bei Mallani die Wehen einsetzten.
Ich hatte tatsächlich ein bisschen schlafen können – kaum war ich an Bord gewesen, hatte ich mich in die nächstbeste Hängematte fallen lassen, die Augen geschlossen und wenige Augenblicke später tief und fest geschlafen. Dann irgendwann spürte ich, wie ich heftig durchgeschüttelt wurde. Zuerst dachte ich, mit dem Schiff wäre etwas nicht in Ordnung, aber dann, während ich mehr und mehr zu Bewusstsein kam, begriff ich, dass jemand meinen Namen sagte und mir zurief, dass ich gebraucht würde. Ich rollte mich aus der Hängematte und folgte dem Silbmagier verantwortungsbewusst, aber nur halbwach.
Er führte mich zu einer Kabine, und erst jetzt, als ich Mallani auf einer Koje liegen sah, wachte ich richtig auf. » Sie braucht Euch«, sagte eine der Silbbegabten, die sich um die Schwangere kümmerten.
» Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie man ein Kind auf die Welt holt«, wandte ich ein. Das war nur zu wahr. Ich hatte schon viele Dinge in meinem Leben getan, aber ich hatte noch nie eine Geburt miterlebt. Abgesehen davon sank mir der Mut, als ich mich daran erinnerte, dass ich so gut wie sicher war, dass das Kind keine Silbmagie besaß. Und jetzt sollte ich diejenige sein, die ihr das mitteilte.
» Sie will einfach nur wissen, ob es Silbmagie hat oder nicht«, erklärte jemand.
» Das hätte auch bis morgen Zeit gehabt«, grummelte ich, aber die Wahrheit war, dass ich schon bald vollkommen gefangengenommen war von dem Wunder dessen, was dann geschah. Als schließlich alles vorüber war, war ich zutiefst dankbar dafür, dass ich hatte dabei sein dürfen.
Vielleicht hätte ich Schmerz empfinden müssen angesichts der Tatsache, dass ich nie selbst Kinder haben würde, aber irgendwie konnte ich nur staunen, als ich miterlebte, wie dieses Kind das Licht der Welt erblickte. Der erste Atemzug des Säuglings, sein erster Schrei – ich konnte gar nicht anders, als Freude zu empfinden. Irgendwann, während sich der Kopf in die Freiheit schob, kam mir der Gedanke, dass dieses Baby tatsächlich keine Silbmagie besaß, ganz wie ich erwartet hatte. Dann jedoch, als es etwas später herausrutschte und das letzte lebenspendende Blut durch die Nabelschnur gepumpt wurde, begriff ich, dass das nicht stimmte. Blaues Licht wirbelte fröhlich über das Kind. Überall sickerte Silbmagie hervor, so intensiv, dass es beinahe violett wirkte. Ich starrte darauf, verblüfft über das, was ich sah. Dann kam jemand und verband und durchtrennte die Nabelschnur; die Magie hörte auf, zum Baby zu strömen, und die Farbe beruhigte sich wieder.
In dem darauf folgenden Durcheinander, als die Wahrer-Silbmagier sich alle laut über das Baby ausließen und die frischgebackene Mutter umarmten, hatte ich einen Augenblick lang Zeit, die Plazenta zu untersuchen. Ich berührte sie und spürte die Reste der Magie. Ich zitterte, hasste das Gefühl des Rückstands dort. Er war falsch. Schrecklich falsch. Er mag
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