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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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sie auch nicht. Wahrer der Gleichheit? Sie? Freiheit und Recht? Wohl eher Mangel an Empfindsamkeit und Missbrauch von Macht. Überhebliche, geldgierige Bande.« Er klang sowohl verbittert als auch leidenschaftlich. Ich war so erstaunt darüber, dass ich mich umdrehte und ihn ansah. Er zuckte dümmlich mit den Schultern; sein Ausbruch hatte verraten, dass er sich in der Tat doch noch um etwas anderes kümmerte als um sein eigenes Wohlergehen, was ihm offenbar peinlich war.
    » Oh, nun«, fügte er hinzu und lachte. » Was spielt es schon für eine Rolle? Solange sie mir nicht in die Quere kommen, brauche ich mir auch keine Sorgen zu machen.«
    Ich antwortete nicht darauf, aber ich wusste, dass seine Bemerkungen typisch waren für die Einstellung der gewöhnlichen Leute gegenüber den Wahrern. Die Mächtigen wurden immer gehasst, egal, wie viel sie auch für die anderen taten. Und die Wahrer hatten viel getan. Sie hatten die Piraterie und den Sklavenhandel zum größten Teil abgeschafft, während beide innerhalb der Ruhmesinseln einst weit verbreitet gewesen waren; sie hatten den Handel geordnet und den Strom der Waren reguliert. Jetzt patrouillierten sie auf den Handelswegen zwischen den Inselvölkern, um Schmuggel zu unterbinden; sie hatten in den Inselreichen bestimmte Gesetze durchgesetzt, die vom Schiffsverkehr bis zum Heirats- und Fortpflanzungsverbot zwischen den Inselvölkern alles vorschrieben. Ich stimmte nicht mit allem überein, was sie taten, aber selbst der hirnloseste Mensch hätte begreifen müssen, dass es auf den Ruhmesinseln geregelter zuging, dass überall mehr persönliche Sicherheit herrschte, mehr Schutz, seit sich das Wirtschaftssystem und die rechtliche Herrschaft der Wahrer-Inseln so weit ausgedehnt hatten.
    Das Schiff lief mit vollen Segeln in den Hafen ein und stieß so sanft an den Kai wie ein Ruderboot an eine Anlegestelle. Womit es verriet, wie gut die Wahrer mit Schiffen umgehen konnten. Es gab ohnehin nur wenig, worin die Wahrer nicht gut waren. Allein ein Blick auf dieses Schiff genügte, um zu wissen, dass sie etwas Besonderes waren: Das Holz glänzte, die Segel waren makellos, die Seile ordentlich zusammengerollt. Das Messing schimmerte, und es gab rattenabweisende Vorrichtungen an den Ankertauen. Man hätte sich keinen größeren Kontrast zu dem schäbigen, stinkenden Sklavenschiff vorstellen können, das daneben festgebunden war. Und dann waren da die Wahrer selbst: zu gleichen Teilen Männer und Frauen, groß und stolz und dazu neigend, gewöhnliche Leute wie uns zu übersehen. Die hellgoldene Haut, die tiefkastanienbraunen Haare, die violetten Augen … Wie oft hatte ich mich danach gesehnt, so auszusehen und eine von ihnen zu sein. Den roten Umhang zu tragen, den sie als Kasel bezeichneten und auf dem das Motiv eines weißen gehörnten Speerfischs prangte und den alle trugen, die sich offiziell im Dienst des Rates der Wahrer befanden. Zu den Wahrern zu gehören. Die Silbbegabung zu besitzen, wie ein Viertel aller Wahrer sie hatten.
    Ich verfluchte meine unbekannten Eltern, dafür, dass sie ihren schreienden Säugling einfach auf einem Friedhof in der Nabe ausgesetzt hatten, der Hauptstadt der Wahrer-Inseln. Dass sie ihren unrechtmäßigen Mischling ausgerechnet in dem Inselreich losgeworden waren, in dem zwangsläufig Neid in mir aufkeimen würde, weil ich zwischen Leuten aufwuchs, denen nachzueifern ich niemals hoffen konnte. Ich verfluche euch beide, Vater, Mutter, wer immer ihr wart.
    Eine Wahrerin warf die erste Leine aus. Das Seil entrollte sich und landete in den Händen eines Kaijungen, der sogleich losrannte, um es über den Poller zu werfen. Die Frau musste hochschwanger sein; ihr Bauch wölbte sich unter der Kasel. Ich war ihr schon zuvor begegnet, und ich erinnerte mich, dass es irgendeinen Skandal wegen ihrer Hochzeit gegeben hatte, aber ich bekam nicht mehr alle Einzelheiten zusammen. Ich war immer noch damit beschäftigt, meine Erinnerung zu sortieren, als meine Aufmerksamkeit auf einen Mann mittleren Alters gelenkt wurde, der auf das Puppdeck kam und sich gegen die Reling lehnte, während er beim Anlegen zusah. Sein kastanienbraunes Haar war an den Seiten ergraut, was ihn – zumindest auf den ersten Blick – vornehmer als seine Kameraden erscheinen ließ. Seine Augenbrauen wölbten sich stark nach oben, was ihm einen stets zynischen Ausdruck verlieh – etwas, das seine herrschaftliche Autorität nur noch verstärkte. Die Kasel, die er trug, war mit Gold

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