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Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende

Titel: Die Inseln des Ruhms 01 - Die Wissende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenda Larke
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an Bord des ersten Schiffs von Kell zu den Inseln des Ruhms. Er hat fünf Jahre lang in der Nabe gelebt, und daher habe ich in der Tat Glück, dass er sich entschieden hat, mit uns auf der Seeströmung dorthin zurückzukehren. Er arbeitet an der Übersetzung der Gespräche ins Kellische, seit wir wieder hierher zurückgekehrt sind, und wird mich zu dem Vortrag begleiten.
    Stets
    Dein pflichtgetreuer Neffe
    Shor iso Fabold
    * * *

6
    Thor und ich bezahlten unsere Getränke und stiegen die Treppe hinauf.
    Der Name des Wahrers war Minus, und er war offensichtlich darauf vorbereitet, dass ich kam. Als er zur Begrüßung meine Hand nahm, fühlte sie sich so rau an wie die eines Handwerkers, und nachdem ich meinen Blick einmal durch das Zimmer hatte schweifen lassen, kannte ich die Natur seines Geschäftes: Er war ein Schuhmacher. Sämtliche Utensilien seiner Arbeit lagen herum, darunter auch einige unfertige Schuhpaare.
    » Minus hat in Margreg gelebt«, sagte Reyder und bezog sich damit auf einen Hafen an der Nordküste der wichtigsten Wahrer-Insel. » Ich möchte, dass er Euch seine Geschichte erzählt.«
    Minus holte ein lauwarmes Getränk aus schwachem Gerstenwasser für uns und setzte sich hin. » Ich weiß nicht, warum Thor möchte, dass ich sie Euch erzähle«, sagte er. » Ich bin nichts Besonderes. Kann auch nicht sagen, dass ich ein besonders aufregendes Leben geführt habe; jedenfalls nicht verglichen mit seinem. Ich bin nur ein Schuhmacher. Geboren in Margreg und dort aufgewachsen. Mein Vater war schon Schuhmacher, und meine Mutter hat ihm in der Werkstatt geholfen. Es war ein gutes Leben«, fügte er leise hinzu. Er rieb sich den Nacken, als wüsste er nicht genau, was er als Nächstes sagen sollte.
    » Minus ist einer von uns«, sagte Reyder. » Er hat das Weißbewusstsein.«
    Der Schuhmacher nickte. » Thor hat mich von den Wahrer-Inseln weggebracht. So haben wir uns kennen gelernt, vor ein paar Jahren. Er hat dafür gesorgt, dass ich nach der Verhandlung sicher nach Gorthen-Nehrung gekommen bin.«
    » Nach der Verhandlung?«, versuchte ich ihn weiter zum Erzählen anzuregen, als er schwieg.
    Er schob seine Haare zurück und zeigte mir sein linkes Ohrläppchen. Es war weggeschnitten. » Sie haben mir das Bürgerrecht aberkannt. Ich wurde des Verrates für schuldig befunden.« Das interessierte mich. Ein Bürger konnte aus verschiedenen Gründen verbannt werden, aber Verrat gegenüber einer Insel war das einzige Verbrechen, für das einem das Bürgerrecht unwiderruflich aberkannt werden konnte. Dies geschah allerdings eher selten.
    » Ich habe immer zu denen aufgeschaut, die Silbmagie besaßen«, sagte er. » Immer dachte ich, sie wären unsere Beschützer, würden uns vor der Dunkelmagie bewahren, die Welt zu unserem Wohle ordnen und so weiter. Ich habe ihnen niemals geneidet, was sie hatten; ich hielt es für gerecht, dass sie reicher waren als wir Übrigen. Nun, Kerle wie ich sind ihnen ja auch gar nicht so oft über den Weg gelaufen. Ich habe hauptsächlich Stiefel für gewöhnliche arbeitende Leute gemacht, keine ausgefallenen Schuhe wie solche hochhackigen aus Ziegenfell und so weiter.
    Silbbegabte sah ich zum ersten Mal, als ich noch als kleiner Junge in dem Laden meines Vaters mitgearbeitet habe. Sie sind einfach die Straße entlanggegangen; es sah aus, als würden sie silberblau leuchten. Ich hielt sie für die hübschesten Leute von allen Inseln. Damals habe ich herausgefunden, dass nicht alle Leute sie so sehen können wie ich – in meiner Gegend gab es überhaupt keine Wissenden. Ihr wisst, wie selten das Weißbewusstsein bei denen vorkommt, die auf den Wahrer-Inseln geboren werden. Also habe ich den Mund über das gehalten, was ich sehen konnte. Ich habe nie viel darüber geredet; nur meine Familie und meine engsten Freunde wussten, dass ich Weißbewusstsein hatte.
    Nun, nach dem Tod meines Vaters habe ich sein Geschäft übernommen. Ich hatte einen Freund, dem der Laden nebenan gehörte. Er war ein Schneider und überaus vornehm. Aber er hat auch viel gejammert; es gefiel ihm nicht, wie wir besteuert wurden. Es war immer so, als müssten wir aus dem einen oder anderen Grund Geld abgeben. Für mich gab es je eine Steuer auf Leder, auf Garn, auf die Anzahl der Leisten in meinem Laden, darauf, dass ich ein Geschäft besaß, auf das Essen, auf das, was wir kauften, auf die Schule, weil ich meinen jüngsten Bruder auf die Damenschule geschickt hatte – es gab Steuern auf nahezu alles, was man sich

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