Die Inseln des Ruhms 3 - Die Magierin
Einladung an, galt das als Garantie dafür, dass der Abend ein Erfolg werden würde, zumindest bei den Damen.
» Das ist absurd!«, wandte ich eines Tages Jesenda gegenüber ein. » Es ist, als wäre ich eine Art prämiertes Tier in einer Menagerie. Die Hauptattraktion!«
Sie lächelte mich an. » Kommt her, Leute, seht euch Elarn an, den einzigen echten, langhalsigen, zehnzehigen Tenkoraner, der heute Abend hier bei uns zu Gast ist!«
An diesem Abend lud die Dasrick-Familie mich in ihre Theaterloge ein, wo ich mit ihr das Illusionäre Drama der Woche sehen konnte. Es war das erste Mal, dass ich eine silbverstärkte Vorstellung erlebte. Ein paar Stunden lang wurde ich in eine andere Welt versetzt und sah, wie sich eine Geschichte entfaltete, in der die Spieler und die Szenerie fast ein bisschen zu echt wirkten. Mein Verstand hätte mir sagen können, dass das hungernde Kind im zweiten Teil nicht wirklich hungerte, ganz egal, wie dünn und krank der Junge auch aussah, und dass während des stürmischen Höhepunktes im dritten Teil nicht wirklich Flammen in die Höhe schossen– aber meine Sinne zeigten mir etwas anderes, und am Ende des Abends war ich so sehr in alles eingetaucht, dass ich mich emotional völlig zerschlagen fühlte. Es war der Beginn einer Leidenschaft für das Theater, die mein ganzes Leben lang anhalten sollte, selbst in den Jahren, in denen es nur wenige Silbschauspieler gab. Wenn ich eines am Großen Wandel bedauere, dann die Tatsache, dass es solche Vorstellungen nicht mehr gibt. Das ist unser Verlust.
Während die Wochen vergingen, entwickelte sich zwischen Jesenda und mir eine Beziehung, die sowohl angenehm als auch außerordentlich mühsam war. Wir begegneten uns häufig bei den gleichen gesellschaftlichen Ereignissen, und außerdem war ich ständiger Gast, wenn die Dasricks zu Abend aßen. Bei diesen Gelegenheiten bemühte ich mich um vorzügliches Benehmen und behandelte Jesenda ein bisschen distanziert und mit untadeligen Manieren. Glücklicherweise trafen wir uns aber auch drei bis vier Tage in der Woche, um zusammen zum Wellenreiten zu gehen. Waren wir dann auf dem Wasser, konnte ich mich entspannen, musste ich nicht so aufpassen und konnte mehr ich selbst sein. In mancher Hinsicht kam es mir eher so vor, als hätte ich eine Schwester gehabt. Wir experimentierten mit Silbillusionen, zogen uns gegenseitig auf und vertrauten uns manchmal Dinge an. Ich erzählte ihr von meinem Vater und davon, wie meine Mutter gestorben war; sie deutete an, dass der Stolz ihrer Mutter auf ihr Ahnengeschlecht sie ärgerte und der Stolz ihres Vaters auf sie sie verunsicherte. Ich freute mich auf diese Augenblicke, aber ich fand die Vertrautheit zwischen uns auch nervenaufreibend, denn es war die Vertrautheit von Geschwistern, nicht die von Liebenden. Ich schätzte diese Freundschaft, aber ihr Anblick– so sittsam ihr Badeanzug auch war– brachte meinen Körper dazu, sich zu verkrampfen, und meine Gefühle wurden verworren.
Ich hätte meine körperliche Unruhe dadurch ausgleichen können, dass ich einige alte Freunde im Hafengebiet besuchte; viele Mädchen hätten sich nur zu gern bereit erklärt, einem Wellenreiter als Gegenleistung für einen Abend voller Spaß und ein paar Getränken zu Gefallen zu sein. Aber irgendwie konnte ich es nicht. Ich hatte seit Cissy mit keiner Frau mehr geschlafen. Ich hatte es nicht gewollt. Meine Abstinenz rührte zum Teil von dem Wunsch her, Jesenda Lügen zu strafen, die mir vorgeworfen hatte, dass ich einen Schwarm Mädchen hätte, um meine Begierde sowohl in Tenkor als auch in der Nabe zu befriedigen. Zum Teil kam sie aber auch daher, dass mich, wie ich wusste, eine solche Verbindung nicht zufriedengestellt hätte. Ich wollte keine neue Cissy. Ich wollte Jesenda.
Ein Monat verging. Ich wurde immer unruhiger. Zum Teil hatte es sogar gar nichts mit mir zu tun: In der Nabe selbst herrschte eine eigenartige Stimmung, ein Gefühl von Aufregung, von Windveränderung. Im Bereich hinter den Docks, wo sich der größte Teil der Manufakturen befand, sorgten viele neue Aufträge für emsige Betriebsamkeit. Die Eisen- und Messinggießereien, die Schiffsbauwerften und all die damit verbundenen Handwerkergilden hatten so viel Arbeit bekommen, wie sie gerade noch bewältigen konnten, und die Geschäfte liefen überaus gut, was sich auf das Leben sämtlicher Bewohner der Nabe auswirkte und ihnen zusätzlichen Wohlstand schenkte. Die Hauptstadt florierte, aber mich machte diese
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