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Die Inselvogtin

Die Inselvogtin

Titel: Die Inselvogtin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Initialen und eine kleine Garnison aus essbaren Soldaten auf den Tisch gezaubert. Die Kanonen konnten sogar schießen. Carl Edzard soll sich gefreut haben wie ein kleiner Junge.«
    »In seinem Kopf soll er ja auch nicht älter sein als fünf «, fügte der Straßenkehrer hinzu. Er wusste immer am besten, was im Volk gemunkelt wurde.»Ein echter Sprössling der Adelsinzucht. Fettleibig, dämlich und verhätschelt. Stimmt es eigentlich, dass der Bäcker den Zuckersoldaten aus Versehen die preußische Uniform angezogen hat statt der rotgelben Röcke der ostfriesischen Truppen?«
    Der Kutscher nickte grinsend.»Alle haben es gemerkt außer dem Thronfolger, dem das Wasser im Munde zusammenlief und der vor lauter Gier den Soldaten den Kopf abgebissen hat.«
    »Auch ein Sieg gegen die Preußen!«, rief der Hitzkopf.
    Die Männer lachten. Der Weiße Knecht blieb jedoch ernst. Wenn es nicht so traurig wäre, dass die Steuergelder im Magen eines Taugenichts landeten, dann hätte er vielleicht auch seinen Spaß an den Erzählungen gehabt.
    Der Straßenkehrer setzte jetzt noch einen obendrauf:»Na, dann bleibt abzuwarten, ob Carl Edzard überhaupt in der Lage ist, irgendeiner Cousine ein Kind in den Leib zu pflanzen. Wahrscheinlich findet er ohne seinen persönlichen Hofmarschall den Eingang gar nicht.«
    »Zur Schlafkammer oder zum Weib?«
    Das Lachen wurde nun so laut, dass der Weiße Knecht mahnend den Arm hob.»Ruhe jetzt!«, rief er und schlug mit der Faust auf die Tischplatte, dass die Bierkrüge hüpften. Sein Einsatz verfehlte die Wirkung nicht. Er blickte in fünf Augenpaare, die sich jetzt alle voll angespannter Erwartung auf ihn richteten.
    »Der Kanzler hat verlauten lassen, dass Carl Edzard demnächst öfter in der Öffentlichkeit zu sehen sein wird. Es sei an der Zeit, dass der Thronfolger sein Land kennenlernt.«
    Die Männer staunten. Sie wussten, dass der Thronfolger bisher keine weiten Reisen unternommen hatte. Seit seiner Geburt hielt sich Carl Edzard hauptsächlich am Auricher Hof auf. Wenn überhaupt, fuhr man – wie es das exaltierte Fürstenhaus ausdrückte – zum Plaisir ins fürstliche Lustschloss zu Sandhorst. Dort hörte die Welt für die Fürstenfamilie auf.
    »Bei diesen Reisen soll vor allem die Volksnähe des Fürstenhauses demonstriert werden. Und da die Fürstin ein Waisenhaus in Esens unterhält, wird dieser Ort vermutlich auch auf der Route liegen. Eine geniale Gelegenheit für uns!«
    Nun meldete sich der Kutscher zu Wort:»Bei allem Respekt, Weißer Knecht, aber erkläre mir bitte mal, wie du das überhaupt in Erfahrung bringen willst. Wann und wohin die Mitglieder der Fürstenfamilie ihre Reisen unternehmen, weiß ja noch nicht einmal der Stallmeister. Ausfahrten der hohen Herren werden immer nur kurz vorher bekannt gegeben. Aus Angst vor … , hm, na ja, wahrscheinlich aus Angst vor Leuten wie uns. Woher also sollen wir wissen, wann dieser Besuch sein wird?«
    »Das lass mal meine Sorge sein.«
    Der Weiße Knecht würde seinen Plan nicht in allen Einzelheiten ausbreiten. Das war zu gefährlich. Denn die Zeit drängte. Dem Fürsten ging es nicht gut, und sein Kanzler leitete bereits alle Geschäfte. Brenneysen war berüchtigt für sein rigoroses Vorgehen gegen die Aufständischen. Es musste ihnen gelingen, den Thronfolger in ihre Gewalt zu bringen. Dann waren sie ihrem Ziel ein Stück näher. Wenn sie den schwächlichen Carl Edzard erst entführt hatten, würde das Fürstenhaus keine Wahl haben, dann mussten sie sich endlich an den alten Freiheitsschwur erinnern.
    »Wenn es so weit ist, werde ich euch informieren. Es kann sich nur um wenige Wochen handeln. Also haltet euch bereit.«
    Doch das war den Männern nicht genug.
    »Wie wollen wir ihn überhaupt in unsere Gewalt bekommen? … Wo werden wir den Fürstensohn verstecken? … Wer bringt die Forderungen an den Hof?«
    Sie sprachen alle durcheinander, doch er blieb ihnen die Antworten schuldig. Es war besser, wenn diese Männer nicht alles wussten.
    »Wenn sich die Fürstin wieder auf den Heimweg macht, schlagen wir zu. Was meinst du, Kutscher, kannst du sicherstellen, an dem Tag einen Wagen zu lenken?«
    Der Kutscher blickte skeptisch drein.»Für das Waisenhaus war ich schon manches Mal tätig. Erst heute habe ich zwei Kinder auf Geheiß des Pfaffen vom Norder Hafen abgeholt und nach Esens gebracht. Ich könnte ja mal nachfragen … «
    »Tu das. Wir müssen wissen, durch welches Tor der Fürstensohn die Stadt Esens verlassen

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