Die Intrige

an die Lippen. »Ich darf gar nicht mit dir sprechen.«
    Ethan freute sich, ihr die Information entlockt zu haben, dass er sich in einem Land aufhielt, das an Südafrika grenzte, doch die Langeweile machte ihn wirklich fertig, und so rief er der jungen Frau beim Hinausgehen verzweifelt nach: »Versuch doch bitte mal, mir ein Buch zu besorgen oder so!«
    Als die Tür ins Schloss fiel, sah er sich sein Essen an. Nachdem er am Tag zuvor zum Duschen gebracht worden war, fühlte sich Ethan langsam weniger unwohl und sein Appetit kehrte zurück. Er bekam nie Besteck und sein Teller war stets aus Plastik.
    Bislang hatte er nur Gemüse oder Fleisch ohne Knochen bekommen, daher war er überrascht, als er jetzt ein Kotelett entdeckte – vielleicht vom Lamm, doch bei der Vielfalt von Tieren auf Kessies Ranch konnte es auch etwas Exotischeres sein.
    Ethan nahm das Kotelett hoch, und als er den ersten Bissen Fleisch nahm, stellte er fest, dass der T-förmige Knochen in der Mitte zu einem Ende hin spitz zulief. Wenn er das ganze Fleisch abnagte und den Knochen schärfte, indem er ihn am Betonfußboden abschliff, konnte er daraus vielleicht eine Art Waffe machen.
    *
    Im Internet und in der Datenbasis der CIA gab es keine detaillierten Straßenkarten von Bischkek, doch die Satellitenaufnahmen waren von hoher Qualität. Ning kannte zwar nicht die genaue Adresse der Wohnung, in der Dan sie versteckt hatte, aber sie wusste, dass es ein x-förmiges dreistöckiges Gebäude gewesen war, neben dem noch zwei baugleiche Häuser gestanden hatten.
    Aber in Bischkek gab es Hunderte fast identischer Wohnblöcke aus der Sowjetzeit, daher nutzte Ning noch andere Faktoren, um das Haus zu finden: einen See, den sie von einem Fenster in Dans Wohnung aus gesehen hatte, und die Tatsache, dass er ein Auto hatte, aber zu Fuß zum Markt ging, weil er ganz in der Nähe war.
    Mit diesen Informationen konnte Ning eine Gegend im Osten der Stadt ausmachen und fand dort mehrere x-förmige Häuser im Umkreis von einem Kilometer um einen großen ovalen Straßenmarkt.
    Kirgistan ist eines der ärmsten Länder der Welt und das östliche Bischkek ist die ärmste Gegend der Stadt. Amy fuhr an zerlumpten Menschen vorbei, auf Straßen mit Schlaglöchern, die, wenn man zu schnell fuhr, die Stoßdämpfer eines Wagens ruinieren konnten und in denen man stecken bleiben konnte, wenn man sie zu langsam nahm.
    Die erste Straße, in der sie suchten, war die falsche, doch als sie sich dem zweiten Ort näherten, den sie gefunden hatte, begann sie zu strahlen.
    Â»Da ist es, ganz bestimmt«, sagte sie. »Park bei dem Haus da drüben.«
    Â»Bist du sicher?«, fragte Amy.
    Â»Ich erkenne die Grafitti«, antwortete Ning. »Und siehst du die Plastikplanen hinter den Mülleimern? Da wohnt ein alter Mann, der sein Essen in den Müllcontainern sucht.«
    Â»Okay«, sagte Amy. »Aber wenn zwei Ausländer in einem hübschen Mietwagen hier aufkreuzen, wird das allen auffallen. Wir parken lieber ein paar Straßen weiter und laufen hierher.«
    Die Gehwege – sofern es welche gab – waren in dem gleichen abenteuerlichen Zustand wie die Straßen. Sie wiesen tiefe Risse auf, und man musste über offene Gullys hinwegsteigen, deren Metallabdeckungen gestohlen worden waren.
    Â»Hoffentlich wird unser Auto nicht auseinandergenommen«, meinte Amy und warf einen Blick zurück. »Dr. D. mag es gar nicht, wenn unerwartete Rechnungen bei der TFU auflaufen.«
    Â»Hoffentlich ist Dan nicht umgezogen«, sorgte Ning sich.
    Die unebene Treppe und der Gestank nach Pisse ließen bei Ning Erinnerungen wach werden, als sie Amy durch ein kaputtes Tor in den ersten Stock führte. Dans Wohnung war die dritte von der Treppe aus, und eines der Dinge, die sich geändert hatten, seit Ning dort gewesen war, war, dass vor seine Tür eine dicke Stahlplatte geschraubt worden war. Außerdem zeigten sich Brandspuren um den Türrahmen herum, die auf Brandstiftung schließen ließen.
    Â»Vielleicht ist er weggezogen«, wiederholte Ning.
    Â»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, meinte Amy und drückte auf den Klingelknopf.
    Nachdem sie eine volle Minute gewartet hatte, drückte Amy erneut auf die Klingel.
    Â»Es ist mitten am Tag«, sagte Ning. »Wahrscheinlich arbeitet er.«
    Sie bückte sich, um durch den Briefschlitz zu sehen, starrte aber