Die Invasion - 5
zunehmend damit anfreunden zu können, nachdem sie begriffen hatten, welchen tiefen, aufrichtigen Respekt die Charisianer Kaiserin Sharleyan bereits jetzt entgegenbrachten. Selbstredend zeigten auch die charisianischen Erzählungen darüber, wie finanziell lohnend das Freibeuterleben doch sei, bei dem einen oder anderen Wirkung.
Die Transportschiffe zu verlegen hatte demnach echte Vorteile gehabt. Cayleb wünschte sich trotzdem, er könnte seine Transporter jetzt hier haben, seinen Truppen deutlich näher. Ohne diese Schiffe konnte er die Truppen nicht auf dem Seeweg an einen anderen Ort befördern, und das war nun einmal der Dreh- und Angelpunkt der charisianischen Strategie! Cayleb war ernstlich versucht, es mit den wenigen Transportern zu versuchen, die er noch in Dairos zurückbehalten hatte. Gern hätte er - in wesentlich kleinerem Maßstab, aber immerhin - die geplante Operation doch noch durchgeführt, den drohenden Orkanen zum Trotz. Gahrvais Entscheidung, sich auf dem Talbor-Pass zu verschanzen, hatte Cayleb jedoch davon abgehalten. Gahrvai thronte da oben in einer Art, die ihn zu einer anziehenden Beute machte, viel zu reizvoll, um sie sich entgehen zu lassen. Doch sich diese Beute zu holen, würde einen deutlich truppenstärkeren Landgang erfordern, als Cayleb derzeit bewerkstelligen konnte. Eine Reihe deutlich kleinerer Landgänge allerdings würden Gahrvai vermutlich nur dazu provozieren, von seiner derzeitigen Strategie abzulassen. Zumindest das jedenfalls.
»Will er wirklich einfach weiter dort sitzen bleiben?«, fragte Cayleb nun, und Merlin zuckte mit den Schultern.
»Danach sieht es zumindest aus«, sagte er, und Cayleb kniff die Augen ein wenig zusammen. In Merlins Stimme schwang etwas mit ...
»Merlin«, fragte der Kaiser langsam, »seid Ihr müde?«
Der Seijin hob die Augenbrauen, und nun war es an Cayleb, die Achseln zu zucken.
»Es tut mir leid, aber mir ist gerade der Gedanke gekommen, dass ich, so denke ich, Euch noch nie müde gesehen habe. Nachdem Ihr Maikel und mir die Wahrheit erzählt habt, habe ich natürlich begriffen, warum das so ist. Aber jetzt ... Ich weiß nicht, aber da ist etwas ...«
»Müde bin ich eigentlich nicht, Cayleb.« Merlin verzog das Gesicht. »Körperlich können PICAs gar nicht erschöpft sein. Andererseits hat, bis ich hierhergekommen bin, noch nie jemand einen PICA länger als zehn Tage am Stück im autonomen Modus betrieben. Deswegen hat auch niemand damit Erfahrung, welche Langzeitauswirkungen ein solcher Dauerbetrieb auf die Persönlichkeit hat, die zu dem betreffenden PICA gehört. Meinen eigenen Erfahrungen nach benötige ich keinen Schlaf, nicht so wie ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber es hat sich herausgestellt, dass ich dennoch eine Art von ... Auszeit brauche. Das ist dann wohl das Gegenstück zu echtem Schlaf, nehme ich an, und genau so etwas brauche ich eben, um geistig rege und wachsam bleiben zu können.«
»Und genau diese ›Auszeit‹ ist Euch hier nicht vergönnt, nicht wahr?«, erkundigte sich Cayleb sofort.
»Es gibt einfach zu viel zu tun«, wich Merlin der Frage aus. »Ich habe überall SNARCs und Fernsonden im Einsatz, Cayleb, und Owl und ich sind die Einzigen, die sie überwachen können.«
»Könnt Ihr überhaupt alle davon ständig im Auge behalten, ganz egal, was Ihr tut?«
»Nein, und das ist auch Teil des Problems. Ich verbringe entschieden zu viel Zeit damit herauszufinden, welche der Sonden ich unbedingt überwachen muss, und das raubt mir natürlich Zeit für die eigentliche Überwachung. Und mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit gibt es mindestens einen unserer Gegner, den ich auslasse, obwohl ich ihn dringend im Auge behalten sollte. Und dann ist da noch ...«
»Hört auf!«, sagte Cayleb, und Merlin schloss gehorsam den Mund.
»So ist es schon besser! Und jetzt hört mir einen Augenblick zu, Merlin Athrawes: Eure Fähigkeit, mir zu erzählen, was sich überall auf der Welt ereignet, verschafft mir einen gewaltigen Vorteil. Ehrlich gesagt: Das ist sogar noch wichtiger als diese neue Artillerie. Ich glaube sogar, dass es der wichtigste aller Faktoren ist, der uns eine Überlebenschance verschafft. Nein: Ich weiß es. Maikel, Dr. Mahklyn und Pater Zhon wissen es ebenfalls. Aber wie Ihr selbst gesagt habt: Ihr seid kein Erzengel. Ihr könnt nicht jederzeit überall sein und alles bewirken. Ihr könnt nicht einmal alles im Auge behalten, was auf einer ganzen Welt geschieht. Vielleicht braucht Ihr, anders als ich,
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