Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
vielleicht etwas früher nach Hause gehen.“
Raggi strahlte. Früher nach Hause gehen war etwas, das er prima verstand. Er erhob sich und sagte laut: „Ja, bilden wir Gruppen. Beeilt euch!“
Georg lächelte verwirrt. „Ja, also, wie wäre es, wenn ihr alle aufsteht, so wie, äh … wie heißt du denn, mein Junge?“
„Raggi“, antwortete Raggi und zog Anna Lísa auf die Füße. „Kommt in die Gänge, bildet Gruppen, dann machen wir einen Schnell-Ferienkurs und gehen nach Hause.“
„Ja, genau“, sagte Georg und knetete seine Hände. „Ich gehe mal kurz raus und hole mir einen Kaffee, während ihr euch kennenlernt und in Vierergruppen aufteilt. Achtet dabei auf eine gute Teammischung, denn ihr werdet viel zusammenarbeiten.“ Dann öffnete er die Tür und ging raus.
Im ersten Moment sagte niemand etwas. Alle standen auf, musterten einander aber nur verlegen. Dann sagte einer der Anzugjungen laut und deutlich: „Meine Freunde und ich“, er zeigte auf die anderen Anzugjungen, „hatten bisher jedes Schuljahr einen Notendurchschnitt von neun Komma neun.“ Er schaute über die Gruppe. „Und wir sind unserer Altersklasse um ein Jahr voraus. Gibt’s hier sonst noch jemanden von diesem Kaliber?“
Ein paar andere Kinder erhoben die Stimmen. Sie hatten alle einen Notendurchschnitt von neun Komma irgendwas und waren in der Schule ein oder zwei Jahre voraus. Raggi gefiel die Sache gar nicht. Wenn alle ihren Notendurchschnitt runterleiern sollten, würden Anna Lísa und er niemanden finden, der in ihrer Gruppe sein wollte, das war klar. Raggi hatte höchstens mal eine fünf Komma sechs drei gehabt, und Anna Lísa meinte, sie sei nur einmal über eine sechs gekommen und hätte eine sechs Komma null eins gehabt. Die anderen würden bestimmt glauben, sie machten Witze, wenn sie das erzählten. Hastig fiel Raggi einem Mädchen ins Wort, das gerade erzählte, sie hätte den zweiten Platz beim Physikwettbewerb der Grundschulen gemacht.
„Ja, ja, wir haben doch alle gute Noten und alle möglichen Wettbewerbe gewonnen.“ Das war natürlich eine absolute Übertreibung. Raggi war zwar Schulsieger im Schneeballwerfen, und Anna Lísa hatte im Winter den Tanzwettbewerb gewonnen, aber das zählte hier wohl nicht. „Sollen wir nicht einfach so schnell wie möglich diese Gruppen bilden?“
Die Kinder zuckten die Achseln und fanden sich zu Vierergruppen zusammen. Raggi griff nach Anna Lísas Arm und zog sie zu dem Physikmädchen, das Gréta hieß. Ein anderer Schüler stand schon neben ihr, ein Junge namens Pétur, der erzählt hatte, er spreche sechs Sprachen fließend und sei in der Kinder-Nationalmannschaft der Schachspieler. Da Anna Lísa und Raggi ganz hinten gesessen hatten, brauchten sie zu lange, um zu ihnen zu kommen. Zwei Jungen, irgendwelche Computergenies, hatten sich bereits neben Gréta und Pétur gepflanzt.
Anna Lísa und Raggi standen völlig deplatziert neben der neu gebildeten Gruppe und spähten suchend durch den Raum nach weiteren Partnern. Das war gar nicht so einfach. Die meisten Gruppen waren schon vollständig. Der Junge mit der Sonnenbrille hatte allerdings noch keine Gruppe. Er war aufgestanden und schien nicht zu wissen, wohin er gehen sollte. Und dann war da noch das uncoole Mädchen mit der Latzhose. Sie war still geblieben, als alle mit ihren tollen Erfolgen geprahlt hatten, so dass Raggi und Anna Lísa nicht wussten, ob es gut war, sie in der Gruppe zu haben. „Oh Mann!“, seufzte Raggi. „Wir müssen noch einen Superschlauen finden.“
Anna Lísa stieß ihn an. Der Sonnenbrillenjunge steuerte auf sie zu. Raggi verstummte und wollte schon Reißaus nehmen, aber sie blieben stehen, und der Junge kam immer näher. Er ging langsam und tastete sich mit den Händen an Stühlen und Tischen entlang. Anna Lísa und Raggi schauten ihm verwundert dabei zu. Als er endlich bei ihnen angelangt war, stand er so nah bei ihnen, dass er fast mit ihnen zusammenstieß und es schon unangenehm war. Dann sagte er etwas, schien seine Worte aber gar nicht an Anna Lísa und Raggi zu richten, sondern über ihre Köpfe hinweg zu sprechen. Wenn sie nicht so ratlos vor ihm gestanden hätten, hätte Anna Lísa schwören können, dass er mit der Gruppe hinter ihnen sprach. Aber das konnte nicht sein, denn die waren schon zu viert.
„Hi“, sagte er. „Kann ich noch zu euch?“
Bevor Raggi antworten konnte, und zwar mit nein, sagte jemand aus der Gruppe hinter ihnen: „Ja, klar!“ Das war aber gar nicht die
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