Die IQ-Kids und die geklaute Intelligenz (German Edition)
Antwort auf die Frage des Sonnenbrillenjungen gewesen, denn das Mädchen, das gesprochen hatte, drehte ihm den Rücken zu. Es war nur irgendeine Antwort beim Gespräch innerhalb der Gruppe gewesen. Zu Raggis und Anna Lísas Entsetzen wirkte der Junge jedoch sehr erfreut und sagte: „Super. Wie viele sind wir denn?“
Raggi warf Anna Lísa einen Blick zu. Es war noch schlimmer, als er vermutet hatte. Der Junge konnte noch nicht mal zählen. Unglaublich. Bevor Raggi oder Anna Lísa etwas sagen konnten, kam das Mädchen mit der Latzhose angelaufen.
„Ich mache bei euch mit“, sagte sie, ohne sich groß dafür zu interessieren, ob sie damit einverstanden waren. Sie lächelte, rückte die viel zu große Brille auf ihrer Nase zurecht und sagte dann: „Ich heiße Magga. Ich weiß, dass du Raggi bist, und wie heißt ihr?“ Sie schaute zu Anna Lísa und dem Sonnenbrillenjungen, der mit dieser Entwicklung offenbar nicht einverstanden war.
„Raggi?“, fragte er. „Hast du Raggi gesagt?“ Dann stöhnte er laut und sagte, ohne eine Antwort abzuwarten: „Ich bin also mit dem Typen in einer Gruppe, der ein Kloschild braucht, um das richtige Klassenzimmer zu finden?“ Er stöhnte wieder.
Raggi regte sich sofort auf. „Was soll das eigentlich? Erst kommst du zu mir und fragst, ob du mit mir in einer Gruppe sein kannst, und eine Sekunde später bist du sauer. Du spinnst doch!“
„Mit dir habe ich gar nicht geredet. Ich wusste nicht, dass du da stehst. Ich dachte, ich wäre in einer Gruppe mit dem Physikmädchen. Sie hat ‚ja, klar' gesagt. Das habe ich genau gehört.“ Der Junge machte ein empörtes Gesicht, und bevor Raggi noch etwas sagen konnte, fügte er hinzu: „Manchmal ist es echt ätzend, blind zu sein.“
Die drei anderen wussten nicht, was sie darauf sagen sollten. Raggi hörte auf zu schimpfen, und Magga Latzhose glotzte nur. Anna Lísa, die immer zuversichtlich war, durchbrach schließlich das Schweigen: „Blind, wow, cool! Ich hab noch nie einen Blinden getroffen.“ Der Junge schnaubte, aber Anna Lísa redete unbeirrt weiter. „Dann hast du bestimmt keine Lieblingsfarbe, oder?“
Das überraschte den Jungen so sehr, dass er antwortete: „Nee, hab ich nicht.“
„Ich bin mir sicher, dass grün deine Lieblingsfarbe wäre, wenn du sehen könntest“, sagte Anna Lísa daraufhin bestimmt. „Konntest du denn mal sehen?“
„Doch, doch“, antwortete der Junge. „Ich bin nicht blind auf die Welt gekommen, ich hatte eine Krankheit und bin vor drei Jahren erblindet. Aber du hast recht.“
„Womit?“
„Mit der Farbe. Grün fand ich am schönsten.“
„Na also, wusste ich doch. Wie heißt du eigentlich?“
„Arnar“, sagte der Junge und streckte die Hand aus. „Und du?“
Anna Lísa schüttelte ihm die Hand. „Ich heiße Anna Lísa“, sagte sie lächelnd. „Ich bin einsfünfundachtzig groß, superschlank wie ein Model, unglaublich hübsch und habe gerade, weiße Zähne.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Anna Lísa erreichte gerade mal einssechzig und war zwar nicht dick, aber auch nicht superschlank.
„Und ich bin Raggi“, sagte Raggi und nahm Arnars Hand. „Ich bin einsneunzig, ziemlich muskulös und hab eine Narbe von einer Messerstecherei auf der Backe.“ Das war ebenfalls glatt gelogen, aber sie schüttelten sich trotzdem die Hände. Raggi und Anna Lísa waren sehr zufrieden mit ihrem neuen Gruppenmitglied. „Fällt es dir leicht zu lernen?“, fragte Raggi ihn und hoffte das Beste. Zwei Superschlaue in der Gruppe konnten sie gut gebrauchen.
„Tja, keine Ahnung“, antwortete Arnar zu Raggis großer Enttäuschung bescheiden. „Man sagt, ich hätte ein sehr gutes Gedächtnis.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber ich habe noch nie einen Intelligenztest oder so was gemacht.“
„Wie blöd“, sagte Anna Lísa offen heraus. „Es wäre besser, wenn du superschlau wärst. Raggi und ich sind das nämlich eigentlich nicht. Und du? Bist du supermegaschlau?“, fragte sie Magga.
„Tja, ich weiß nicht, was ich sagen soll“, antwortete Magga. „Ich habe den dritten Platz bei diesem Physikwettbewerb gemacht, von dem das Mädchen da drüben gesprochen hat. Ja, und den fünften Platz im Mathewettbewerb.“ Raggi versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen. Fünfter Platz, das war ja nichts Besonderes. Auf dem fünften Platz bekam man noch nicht mal eine Medaille. Der dritte war immerhin Bronze. Als Magga weitersprach, besserte sich seine Laune schlagartig. „Aber ich
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