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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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auf dem alten Fischkutter geschehen war, mit dem die Brüder hin und wieder ihren Geschäften außerhalb der Landesgrenzen nachgingen. Thomas wurde schließlich für tot erklärt; Jack, dem der Tod des Bruders offensichtlich sehr nahegegangen war, blieb verschwunden. Die Akte Keane wurde mit hörbarem Aufatmen geschlossen und ins Regal gestellt, wenn auch nicht zu den aufgeklärten Fällen, so doch irgendwo ganz weit nach hinten.
    Und dort wäre sie auch allmählich zugestaubt, wenn nicht vor zwei Wochen ein aufsehenerregender Kunstdiebstahl sämtliche Abteilungen von Scotland Yard erschüttert hätte.
    Aus einer Galerie in Londons Nobelstadtteil Kensington war ein Van Gogh gestohlen worden. Nicht irgendein Van Gogh. Ein bis dahin unbekannter Van Gogh, ein halbes Jahr zuvor bei einer Entrümplungsaktion auf einem französischen Dachboden entdeckt. Zweifel waren angebracht ob der Echtheit des Ölbildes, hatte sich der gute Vincent doch bis auf ein paar Fingerübungen nie mit biblischen Motiven beschäftigt und jetzt das – eine Anbetung des Kindes durch die Heiligen Drei Könige. Aber die Experten gaben grünes Licht. Die Sensation war perfekt. Die Kunstwelt geriet in Aufruhr, Sammler spielten verrückt, Museen kratzten ihre Ersparnisse zusammen, alle rissen sich um das Werk, und wie so oft sollte auch hier der Hammer entscheiden, wer letztendlich den Zuschlag erhalten sollte. Sotheby’s nahm sich der Sache an und setzte die Versteigerung für den 19. Oktober fest. An welchem Ort das Bild den Besitzer wechseln sollte, hielt man bis kurz vor der Auktion geheim. Die Sicherheitsvorkehrungen waren eines Kronschatzes würdig. Erst einen Tag vor dem genannten Termin wurde das Gemälde nach London gebracht und bis zum Mega-Event an einem sicheren Ort aufbewahrt.
    Nicht sicher genug.
    Jedenfalls war das gute Stück, dessen Verkaufswert auf mindestens fünfzig Millionen Pfund geschätzt wurde, allen Alarmanlagen zum Trotz am nächsten Morgen nicht mehr da. Der zugegeben ziemlich hässliche Rahmen fand sich nach kurzer Suche in einem Müllcontainer im Hinterhof – die Diebe reisten wohl nicht gerne mit großem Gepäck. Dennoch war eine Leinwand mit einem Van Gogh drauf nichts, was man eben im Handschuhfach über die Grenze schmuggelte. Eine sofort eingeleitete großangelegte Suchaktion blieb jedoch erfolglos. Eine Sonderkommission Vincent wurde ins Leben gerufen, man verhaftete die üblichen Verdächtigen und wertete die Spuren aus, die man am Tatort gefunden hatte. Letzteres war schnell getan, hatte man doch vor Ort nur einen einzigen verwertbaren Fingerabdruck entdeckt. Beim routinemäßigen Abgleich mit der Verbrecherkartei spuckte der Computer auch prompt die Daten zu dessen Besitzer aus.
    Keane.
    Keiner hatte die Keanes auf der Liste gehabt. Zu vieles passte nicht ins Bild. Zuallererst widersprach es ihrer Arbeitsweise, ein und denselben Ort ein zweites Mal heimzusuchen. Nachdem die Keanes bereits Ende der Neunziger Jahre in der Galerie aktiv gewesen waren, um einen Miro mitgehen zu lassen, wähnte man sich diesbezüglich auf der sicheren Seite. Aber noch etwas ganz Entscheidendes sprach vehement gegen eine Beteiligung von Jack Keane: Es hatte einen Toten gegeben.
    Während der ganzen fragwürdigen Karriere der Brüder Keane war nie ein Opfer zu beklagen gewesen, kein einziger Schuss war gefallen, und die Geschädigten waren schlimmstenfalls mit einem blauen Auge davongekommen. Dieser Umstand hatte dem Wachmann wenig genutzt, der am Morgen tot in der Galerie gelegen hatte. Dabei spielte es keine Rolle, dass der Mann, wie die Autopsie letztlich feststellte, einem Herzinfarkt erlegen war, vermutlich durch die Aufregung. Eine Leiche war und blieb eine Leiche.
    Das, was allerdings für die eigentliche Verwirrung sorgte, war die Tatsache, dass der gefundene Fingerabdruck gar nicht wie sofort vermutet von Jack Keane stammte, sondern von Thomas Keane. Und der war seit zehn Jahren tot …
    Genau hier war der Punkt, an dem er, Fin O’Malley, ins Spiel kam.
    Fin hockte in seinem Zimmer im Haus der Witwe MacCormack und hatte alles, was er brauchte um sich herum ausgebreitet. Das Bett war vollgehäuft mit Unterlagen, Protokollen und Fotos, dazwischen sein Laptop, ein elektronisches Wunderwerk, das Fin nach wie vor faszinierte, beherbergte es in seinem Speicher doch all die Dinge, für die er sonst zwei Koffer voller Aktenordner gebraucht hätte. Statt Whisky stand frisch aufgebrühter Kaffee auf dem Nachttisch,

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