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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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gestohlen, und weil Duvessas Bruder Sitric sie nicht rausrücken wollte, hat Cormac O’Leary Sitric MacNally eines Nachts an Fanad’s Cross aufgelauert und ihn mit dem Spaten erschlagen, mit dem er gerade Torf gestochen hatte. Dummerweise war es eine Vollmondnacht, und Sitrics Tochter Finella hat alles gesehen und sofort den Hund auf den Mörder gehetzt …«
    Der Lärm in seinem Schädel wurde zu einem regelrechten Getöse. Es dauerte einen Augenblick, bis Fin merkte, dass der Lärm nicht von Hunden, Spaten oder irgendwelchen Streitäxten herrührte, sondern ganz real von draußen kam. Eisen auf Stein, Pferdehufe auf Asphalt. Ein Schatten zog an seinem Fenster vorbei. Nein, Schatten sind schwarz, der hier war weiß.
    »… und das war der Moment, wo Hugh Gomballs Sohn Aengus die Nase voll hatte und dem Seevolk kurzerhand den Krieg erklärte. Seit diesem Tag gehen sich Feen und Meerjungfrauen verständlicherweise aus dem Weg und es würde keinem von ihnen im Traum einfallen …«
    Fin hörte gar nicht mehr zu. Der Hufschlag war verstummt. Eine Frau hatte das Pub betreten, stand nun an der Theke und wechselte ein paar Worte mit Ronan. Sie war hochgewachsen und trug einen langen schwarzen Wettermantel, der ihr bis über die Stiefel reichte. Das Auffälligste an ihr waren die langen, leuchtend roten Haare.
    »Die gehört auch dazu«, raunte Nora.
    »Wie? Wer gehört wozu?«
    Sie wies mit dem Kinn auf die Frau. » Maighdean mhara .«
    »Bitte?«
    »Zu den Meerjungfrauen.«
    »Ach ja? Und woran erkennt man das?« Fin sah sie fragend an. »An den Schuppen in ihren Haaren?«
    Nora zuckte mit den Achseln. »Sie hat rote Haare und grüne Augen.«
    Na so was, dachte Fin, da stammte also der typische Klischee-Ire in Wahrheit von Meerjungfrauen ab …
    Die Frau hatte ihre Unterhaltung mit Ronan beendet und schob sich durch die Pubgäste zur Tür. Als sie an seinem Tisch vorbeikam, fing er für eine Sekunde ihren Blick auf. Nora hatte recht. Sie hatte tatsächlich grüne Augen. Geradezu sagenhaft grüne Augen.
    »Und außerdem wird es Winter«, fügte die Alte hinzu.
    »Was, bitte schön, hat das mit roten Haaren und grünen Augen zu tun?« Er sah der Rothaarigen nach, als sie das Pub verließ.
    »Meerjungfrauen kommen im Herbst an Land.« Nora kippte den Rest ihres Fisherman’s Fellow mit Schwung die Kehle hinunter. »Sie suchen sich ein warmes Plätzchen für den Winter.«
    Fin reckte den Hals, um aus dem Fenster auf die Straße zu schauen. Er sah gerade noch, wie die Frau sich in den Sattel eines großen Schimmels schwang und in der Dunkelheit verschwand. Der Hufschlag schepperte hohl durch die Gasse.
    »Die meisten Meerjungfrauen haben Probleme mit dem Laufen. Sie kommen ja direkt ausm Wasser, da sind sie’s nicht gewöhnt, sich auf zwei Beinen zu bewegen«, erklärte Nora ernsthaft, »da steigen sie dann ganz gern mal auf ein Pferd und lassen sich tragen. Den Schimmel hat sie übrigens von Tully Gomball gekauft, einem Urenkel von Aengus Gomball. Der hat die besten Pferde hier in der Gegend. Der hat vor zwei Jahren einen rabenschwarzen Hengst an Doreen Donoghue verkauft, der Schwester von –«
    »Ronan!«, brüllte Fin quer durchs Pub, »einen Fisherman’s Fellow für Mrs. Nichols! Geht auf meine Rechnung!«
    Die Alte machte auf dem Absatz kehrt und verschwand Richtung Theke.
    Fin atmete erleichtert auf. Seine Gabel spießte den letzten Happen Fisch auf, der letzte Schluck Bier spülte ihn hinunter. Er fragte sich, ob er sich noch ein zweites Pint gönnen konnte. Schließlich hatte der Abend noch nicht mal richtig angefangen und großartige Alternativen zum Trinken gab es im Nachtleben von Foley nicht.
    Draußen war es stockfinster geworden. Unter der vergilbten Halbgardine spiegelte sich das warme Licht des Pubs in der staubigen Fensterscheibe. Er dachte an die rothaarige Frau. Er glaubte sie zu kennen. Nein, kennen war nicht der richtige Ausdruck. Aber er war sich sicher, dass sie es gewesen war, die ihm tags zuvor am Strand begegnet war. Da war ihm nicht aufgefallen, dass der Reiter eine Frau war, geschweige denn, dass er rote Haare hatte, zu sehr hatte ihn die Erscheinung irritiert.
    Er schob das leere Glas auf dem Tisch hin und her, während seine Gedanken weiterwanderten zu Susan. Sie hatte auch grüne Augen, aber eher graugrün, nicht so leuchtend grün wie jene, die eben für den Bruchteil einer Sekunde die seinen getroffen hatten. Und Susan hatte blonde Haare. Etwas dunkler als vor zwanzig Jahren, als sie

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