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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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gewesen wäre, die Schuhe auszuziehen und barfuß zu laufen, als ihn eine Welle fast von den Beinen riss. Hastig sprang er an Land zurück. Auch den aberwitzigen Gedanken, hinüberzuschwimmen, ließ er rasch fallen. Die Strömung war viel zu stark.
    Er fluchte. Seine Hose war nass bis zu den Knien, an seine Schuhe mochte er gar nicht erst denken.
    Er tastete nach dem Handy in seiner Jackentasche. Aber wen sollte er anrufen? Die Polizei? Den Hubschrauber der Küstenwache? Auf dem Display las er: Kein Netz. Schön, diese Frage hatte sich hiermit erübrigt.
    Zähneknirschend betrachtete er sein Auto auf der gegenüberliegenden Seite. Es war kaum anzunehmen, dass zufällig jemand vorbeikam, es bemerkte und ihm zu Hilfe eilen würde. Er musste sich damit abfinden, dass er auf sich allein gestellt war.
    Halt! So ganz alleine war er ja gar nicht!
    Er schöpfte Hoffnung und machte kehrt. Der Leuchtturm. Dort gab es bestimmt Funk. Und wenn nicht, dann wenigstens einen heißen Kaffee oder ein Paar trockene Socken.
    Wieder erklomm er die Anhöhe. Das Wasser in seinen Schuhen hatte mittlerweile immerhin Körpertemperatur. Völlig außer Atem kam er oben an.
    Die Silhouette des Leuchtturms ragte in den Abendhimmel. Alles war dunkel.
    Fin blieb verwundert stehen.
    Verdammt noch mal, ein Leuchtturm, der nicht leuchtete, war doch kein Leuchtturm!
    Siedend heiß fiel ihm ein, dass der letzte Leuchtturmwärter mittlerweile umgeschult hatte auf Pfarrer und er ihn erst gestern kennengelernt hatte. Dieser Leuchtturm hier war außer Betrieb. Abgeschaltet.
    »Verdammte Scheiße!« Er hätte heulen können, so wütend war er. Wütend auf den Leuchtturmwärter, auf die Flut, auf seinen Boss, der ihn hier hergeschickt hatte. Wütend auf sich selbst. Was musste er sich auch den blöden Sonnenuntergang angucken!
    Aber vielleicht wohnte ja trotzdem noch jemand in dem Gebäude. So ganz aufgeben wollte er die Hoffnung noch nicht. Immerhin hatte er Reifenspuren gefunden, also wurde der Damm auch benutzt. Dass hinter keinem der Fenster Licht brannte, musste ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass das Haus verlassen war.
    Er stieg die paar Stufen zur Eingangstür hinauf und klopfte.
    »Hallo? Jemand zu Hause?«
    Er wartete einen Moment, klopfte dann erneut. Drinnen blieb es still. Angestrengt spähte er durch die Glasscheibe in der Tür, aber nichts regte sich. Zögernd drückte er die Klinke runter, die Tür war verschlossen. Er versuchte, durch eines der Fenster hineinzuschauen, aber alle lagen zu weit vom Boden entfernt.
    Aufmerksam ging er um den Leuchtturm herum, doch nirgends fand sich ein Lebenszeichen. Der Wind rappelte an den Fenstern, irgendwo klapperte ein Stück Blechverkleidung.
    Das Einzige, was er bemerkte, war ein Motorrad, das unter einem Vordach an der Wand lehnte. Eine schwarze Geländemaschine.
    Fin stutzte.
    Er hatte dieses Motorrad schon mal gesehen. Oben auf dem Friedhof vor der kleinen Kirche. Es gehörte dem Restaurator, hatte der Pfarrer gesagt. Aber Fin war sich ziemlich sicher, dass ihm genau dieses Motorrad auch heute begegnet war.
    Die Meerjungfrau.
    Wer auch immer damit herumfuhr, der musste doch verdammt noch mal zu Hause sein!
    »Hallo?« Fin brüllte so laut er konnte.
    Vergeblich.
    Er versuchte sein Glück an einem Schuppen, rüttelte an der Tür, aber auch die war verschlossen.
    Mittlerweile war es dunkel geworden. Hinter seinem Rücken lag die Küste als unförmiger schwarzer Klumpen, vor ihm das Meer, das man nur durch die schaumgekrönten Wellen vom Nachthimmel unterscheiden konnte. Auf einem Felsen draußen im Meer blinkte ein Signalfeuer, noch weiter draußen antwortete ein anderes Licht, vermutlich eine Boje.
    Fin seufzte.
    Vielleicht war es besser, zum Damm zurückzugehen. Dort konnte er eher Hilfe erwarten als hier. Und vielleicht ging das Wasser ja schneller zurück als er dachte.
    Er lief ein paar Schritte und stolperte über die bucklige Wiese. Nie hätte er geglaubt, dass es nachts in freier Natur so finster sein konnte. In Dublin gab es praktisch keine Nacht.
    Der Wind wehte böig und brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Er machte einen Schritt, hielt inne und nahm ihn wieder zurück. Er ahnte den Abgrund mehr als dass er ihn sah, er hörte das Rauschen der Brandung tief unter sich und trat zurück. Er atmete tief durch, merkte, dass er zitterte.
    Das war knapp gewesen …
    Er schaute sich um. Wo ging es denn verdammt noch mal zu diesem blöden Damm?
    Den Leuchtturm hatte die Nacht verschluckt, von

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