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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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noch einmal umsah, stand sie oben auf der Kuppe der Insel neben dem großen weißen Pferd. Ihre Haare leuchteten feuerrot in der Sonne. Er hätte gerne gewusst, ob sie ihn beobachtete, aber sie war zu weit weg.
    Der Damm war nass, aber frei. Fin schaute auf die Uhr. Es war kurz nach Zwölf. Er hätte nicht mit Sicherheit sagen können, ob das Wasser gerade zurückgegangen war oder ob es schon wieder auflief. Er beeilte sich lieber bei der Überquerung.
    Das Fenster auf der Beifahrerseite war eingeschlagen, der Sitz mit Glassplittern übersät. Er wunderte sich, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte; er konnte sich gar nicht daran erinnern, überhaupt abgeschlossen zu haben. In dieser gottverlassenen Gegend hatte er nicht mit Autoknackern gerechnet. Wahrscheinlich gehörte auch das zur lokalen Tradition, immer die Fensterscheibe einzuschlagen, selbst wenn das Auto offen war.
    Erwartungsgemäß war das Radio geklaut. Der oder die Täter hatten das Handschuhfach durchwühlt, aber nichts von Wert gefunden. Fin war erleichtert, dass seine Dienstwaffe sicher in seinem Dubliner Schreibtisch lag. Er vermisste lediglich seine neuen Schuhe.
    Als er sich ins Auto setzte, platschten die ersten Tropfen vom Himmel. Er starrte ungläubig auf die Frontscheibe. Draußen schien die Sonne. Er startete den Motor und stieß zurück auf die Straße. Innerhalb von Minuten war der Beifahrersitz klatschnass. Er hängte seine Regenjacke über die Kopfstütze, um das Schlimmste abzuhalten, aber es nützte nicht viel. Außerdem wurde es kalt im Auto. Er fuhr langsamer und drehte die Heizung auf Anschlag. Er musste irgendwo Folie auftreiben, um das Fenster abzukleben. Das sollte nun wirklich kein Problem sein, schließlich war er doch   der   Spezialist für Fensterscheiben, oder?
    Er schnaufte. Er hatte nun weiß Gott was Besseres zu tun als Fenster zu reparieren. Als Ausrede konnte er lediglich gelten lassen, dass diese Charlie ihm vielleicht bei seinen Nachforschungen nützlich sein konnte. Immerhin hatte sie Thomas Keane gekannt. Und Joe MacGann, der damals bei dessen rätselhaftem Verschwinden dabei gewesen war. Und der obendrein der Bruder von Nora Nichols gewesen war.
    Moment mal.
    Er machte eine Vollbremsung.
    Wenn Nora Nichols die Schwester von Joe MacGann war, dann war sie auch die Tante von Joeys Sohn Billy. Jene Tante, die er nach Galway chauffiert hatte an dem Tag, als Shergar verschwand. Billy »Blue Boy« MacGanns wasserdichtes Alibi.
    Fin war der Ansicht, dass es in der Tat einige Gründe gab, sich vielleicht doch mal mit Nora Nichols, geborene MacGann, zu unterhalten.
    Nicht nur wegen Shergar.

9 Shergar
    Als er nach Foley zurückkehrte, nieselte es noch immer. In feinen Schleiern stob der Regen vom Himmel. Der nasse Asphalt glänzte in der Sonne und blendete ihn. Aus dem Hügel über dem Dorf entsprang ein gigantischer Regenbogen und versank irgendwo draußen im Meer zwischen novembergrauen Wellen.
    Fin fuhr über die Hauptstraße bis zur Tankstelle. Der Tankwart besah sich das eingeschlagene Seitenfenster, nickte ein paar Mal nachdenklich, rief einmal kurz in Richtung Werkstatt nach »Brian!« und überließ den Schaden dem zuständigen Mechaniker. Brian entpuppte sich als untersetzter Endfünfziger mit stahlgrauem Haarkranz und öligen Händen, die er beflissentlich an seinem Blaumann abwischte. Er begutachtete das Fenster und nickte ebenso vielsagend wie sein Kollege, dann bat er Fin in sein Büro, wo er anfing, mit nicht ganz sauberen Fingern auf der Tastatur seines Computers rumzuhacken.
    »Muss ich bestellen. Dauert drei Tage.«
    Mehr war nicht zu sagen. Keine neugierige Frage, was passiert war. Wahrscheinlich wusste er es längst und hatte ihn erwartet. Vielleicht gab es sogar Prozente für den Täter. Immerhin, die Folie, mit der Brian das Fenster notdürftig, aber sehr professionell abklebte, war gratis.
    »Könnten Sie bei der Gelegenheit mal das Zündkabel überprüfen?«, fragte Fin.
    Brian sah ihn etwas verwundert von der Seite an, zuckte aber nur mit den Achseln und tat wortlos, wie ihm geheißen.
    Fin lenkte den Wagen zurück ins Dorf. Er sehnte sich nach einer heißen Dusche und frischen Klamotten.
    Auf der Höhe des Hafens hielt er an. Ein schmuckes Häuschen stand da auf der Ecke, die Fassade himmelblau getüncht, die Fenster weiß gerahmt und sauber geputzt und regelrecht verbarrikadiert mit Blumenkästen, in denen üppiges rosafarbenes Heidekraut blühte. Auf dem Schild über dem Eingang stand »Post«,

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