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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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Geräusch.
    Das Treppenhaus verband den Wohntrakt mit dem eigentlichen Leuchtturm. Eine enge Stiege führte hinauf in die Laterne, wo bis vor wenigen Jahren ein Leuchtfeuer Schiffen den Weg durch Nacht und Nebel gewiesen hatte. Die Versuchung hinaufzuklettern war groß. Fin hatte noch nie einen Leuchtturm von innen gesehen. Aber er entschied sich für den Weg hinunter. Er folgte der Stimme von Jim Morrison, die gerade mit laszivem Timbre den   Blue Sunday   pries. Die Musik wurde lauter, als sich das Treppenhaus eine Etage tiefer in eine Art Wintergarten öffnete. Eine ehemalige Veranda, nun komplett verglast, hatte den Wohnbereich um ein Zimmer im Grünen erweitert. Eine ausladende Palme in einem massiven Terrakottatopf und eine Hängematte, die zwischen Wand und Fenstern aufgehängt war, verbreiteten eine fast südländische Atmosphäre. Trotzdem war es kalt im Raum.
    Die Meerjungfrau stand in einer Ecke vor der Stereoanlage und brachte Jim Morrison zum Schweigen. Die CD flutschte aus dem Schacht.
    »Ist bei dem Sturm letzte Woche ’n Vogel dagegen geknallt. Wahrscheinlich ne Möwe.« Sie wies mit einer knappen Kopfbewegung zum Fenster und verstaute die CD in ihrer Hülle.
    Erst jetzt bemerkte Fin den gesplitterten Fensterrahmen. Die Plastikfolie, mit der das Loch notdürftig abgeklebt war, stemmte sich gegen den steten Wind. Die Glasscheiben daneben hatten lange Risse.
    »Muss ja ’n Riesenvogel gewesen sein.«
    »Kann stürmisch werden hier oben an der Küste. Besonders im Winter.«
    Sie fischte eine dicke Jacke von der Hängematte und ging zur Haustür. Sie hinkte leicht. Es war ihm bisher gar nicht aufgefallen. Was hatte Nora Nichols gesagt? Meerjungfrauen taten sich mit dem Laufen schwer …
    Fin erschrak, als etwas sein Bein berührte. Die rote Katze hatte sich unbemerkt angeschlichen, strich beiläufig um ihn herum, ringelte ihren langen Schwanz einmal um seine Kniescheibe und schätzte mit Kennerblick die Entfernung zur Hängematte ab. In der nächsten Sekunde landete sie auf dem schwankenden Untergrund, suchte eine Weile zwischen Kissen und Decken nach dem perfekten Platz und ließ sich schließlich auf einem sonnengefluteten Fleckchen nieder.
    »Ich könnte dir bei der Reparatur helfen.«
    Sie stand an der Tür, die Klinke in der Hand. Ihr abschätzender Blick verriet ihm, dass sie ihm nicht mal zutraute, den Unterschied zwischen Schraubenzieher und Zange zu kennen. Womit sie der Wahrheit ziemlich nahe kam. Er hatte zwei linke Hände, was handwerkliche Arbeiten anbetraf. Er wusste selber nicht, welcher Teufel ihn geritten hatte, ihr seine Hilfe anzubieten.
    Vielleicht hatte er einfach keine Lust zu gehen. »Hast du Glas? Handwerkszeug?«
    Sie zögerte. Aber nicht lange. »Lass gut sein.«
    Sie ging nach draußen. Fin folgte ihr. »Ich bin   der   Spezialist, wenns um Fenster geht. Ehrlich.« Wie sie so neben ihm auf der obersten Treppenstufe stand, fiel ihm auf, dass sie fast so groß war wie er selbst.
    »Nein, lieber nicht.« Sie zog die Tür zu und schloss ab.
    »Hör mal, Charlotte …«
    »Charlie ist schon okay.«
    »Ich muss mich doch wenigstens revanchieren«, er trottete hinter ihr die Treppe hinunter, »immerhin hast du mir zweimal das Leben gerettet.«
    »Aber nicht heute.«
    »Nein, heute noch nicht, aber …«
    »Es wird Regen geben.«
    »Regen?« Er warf den Kopf in den Nacken und betrachtete erstaunt den blauweißen Himmel. Die Wolken waren zugegebenermaßen dick und fett, sahen aber eigentlich ganz friedfertig aus. »Sieht gar nicht nach Regen aus.« Er stolperte über die letzte Stufe.
    »Vertrau mir.« Sie nahm etwas vom Treppengeländer, das für Fin wie ein Pferdehalfter aussah.
    Sie konnte ihn doch jetzt nicht einfach so stehen lassen. Aber genau das hatte sie ganz offensichtlich vor. Sie wollte ihn loswerden. Er musste seinen Charme spielen lassen. »Tolle Maschine.« Er deutete auf das Geländemotorrad, das neben der Treppe an der Wand lehnte. »Wenn du keine Restauratorin wärst, würdest du nen prima Automechaniker abgeben.«
    »Ja. Mag sein«, entgegnete sie kurzangebunden und warf sich die Lederriemen über die Schulter.
    Falscher Knopf.
    Sie nickte ihm wortlos zu und wandte sich ab, machte sich über die Wiese davon, wahrscheinlich auf die Suche nach ihrem Pferd. Fin war entlassen.
    »Vielleicht morgen? Ich könnte dir morgen helfen!«, rief er ihr hinterher.
    Sie reagierte nicht.
    Er gab es schließlich auf. Ohne Eile schlenderte er in Richtung Festland. Als er sich

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