Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
Vom Netzwerk:
die Rechnung war nicht aufgegangen.
    Unterm Strich waren fünfunddreißig Fohlen aus Shergars erster und einziger Decksaison geblieben sowie fünfunddreißig enttäuschte Eigentümer, die mit leeren Händen dastanden. Beim nachweislichen Tod des wertvollen Hengstes hätte die Versicherung anstandslos gezahlt, aber da Shergar nie gefunden wurde, konnte man ihn nicht offiziell für tot erklären lassen. Allerdings ging die Polizei davon aus, dass das Pferd schon kurz nach seiner Entführung – auf welche Weise auch immer – zu Tode gekommen war. Wahrscheinlich hatten die Kidnapper den temperamentvollen nervösen Vollblüter nicht bändigen können und ihn kurzerhand erschossen. Soviel zu Nora Nichols’ Beobachtung.
    Während auf dem benachbarten Computer die Versuche des blauhaarigen Raumschiffkommandanten, auf dem 23. Level endlich die Welt zu retten, unüberhörbar in eine entscheidende Phase gingen, betrachtete Fin gedankenversunken das Foto des braunen Pferdes mit der breiten weißen Blesse und druckte einige der Artikel aus. Wie alt wurde so ein Gaul eigentlich? Selbst wenn er noch auf irgendeiner Weide herumsprang, war er doch für den Dieb wertlos. Ohne Stammbaum, das heißt ohne gültige Papiere, keine Zucht. Es sei denn, man fälschte diese Papiere.
    »Ach, Sie interessieren sich für Shergar. Das ist aber eine uralte Geschichte.«
    Fin zuckte zusammen. Die Posthalterin war unbemerkt hinter ihn getreten, eine Tasse in der Hand. »Ich dachte mir, Sie mögen vielleicht einen Tee, junger Mann?«
    »Danke, das ist sehr liebenswürdig, Mrs. …?«
    »O’Grady, Fiona O’Grady.«
    Die Liebenswürdigkeit der alten Dame war pure Neugier. In Foley spionierten sogar die Omas. »Wissen Sie, Mrs. O’Grady, mein Interesse ist beruflicher Natur. Ich bin Journalist.«
    »Ach, ein Reporter. Das ist aber aufregend. Arbeiten Sie für eine Zeitung?«
    »Erraten.«
    »Und für welche Zeitung schreiben Sie?«
    »Für die, die am Meisten zahlt«, antwortete er ausweichend und versuchte, das Frage- und Antwortspiel umzudrehen. »Sie erinnern sich doch bestimmt an die Geschichte damals. 1983, als –«
    »1983? Gewiss erinnere ich mich! Da hat meine Enkelin Marcella geheiratet. Diesen Nichtsnutz Tom Fagan. Kennen Sie Tom Fagan? Er arbeitet bei –«
    »Nein, Mrs. O’Grady, ich kenne Tom Fagan nicht.«
    »Da haben Sie nichts verpasst. Möchten Sie Milch in Ihren Tee?«
    »Gerne.« Fin stand auf und begleitete die alte Dame zum Tisch, um ihr den Weg zu ersparen. »Man erzählt sich ja, dass Shergar hier in Foley gesehen worden sein soll. Nora Nichols hat angeblich –«
    »Ach, die gute Nora! Schlimm genug, dass sie vor zweiundzwanzig Jahren ihren Mann begraben musste, aber seit der Sache mit Joey vor drei Jahren … Möchten Sie einen Keks, Mr. …?«
    »O’Malley. Danke, ich liebe Kekse.« Er nahm den Keks sowie den angebotenen Stuhl und setzte sich. Die beiden anderen Damen hatten mit dem Stricken innegehalten und musterten ihn aufmerksam. Sie schienen nur wenig jünger als Mrs. O’Grady, aber mindestens ebenso neugierig.
    Fin wagte einen neuen Anlauf und griff das Stichwort auf. »Joey MacGann, richtig. Die Polizei hat damals seinen Sohn Billy verhört, wenn ich mich recht erinnere. Immerhin hat Joey bei diesem Aga Khan gearbeitet.«
    »Billy MacGann! Auch so ein Nichtsnutz!«, schnaubte Fiona O’Grady ungnädig, »die Kekse hat Polly übrigens selber gebacken, stimmt’s nicht, Polly?«
    Polly, mit frischer Dauerwelle und mindestens vierzig Pfund zu viel Selbstgebackenem unter dem ausladenden Busen, nickte eifrig, ohne Fin aus den Augen zu lassen.
    »Glauben Sie, dass die berüchtigten Keane-Brüder damals ihre Finger im Spiel hatten?«, setzte er erneut an.
    »Polly, du musst mir unbedingt das Rezept geben«, meinte die erstaunlich hagere dritte im Bunde mit vollem Mund, »die sind noch besser als deine Schokoladenplätzchen vom letzten Sonntag.«
    Fin gab es auf. So kam er nicht weiter. Er kaute auf seinem staubtrockenen Keks herum, als hätte er Muschelschalen zwischen den Zähnen, und entdeckte die silbern glänzende Blechdose, die mitten auf dem Tisch stand. Eine Sammelbüchse mit der Aufschrift »Zum Erhalt der Kirche St. Mary in Foley«. Während die drei Damen munter schnatternd die Vorzüge von Butterschmalz gegenüber Margarine diskutierten, zückte er seine Brieftasche und versenkte eine Zwanzig-Euro-Note im Schlitz. Vielleicht ließen sich die alten Mädchen ja auf diese Weise motivieren.
    »Das ist

Weitere Kostenlose Bücher