Die irische Meerjungfrau
aber eine ehrenvolle Aufgabe, der Sie sich da angenommen haben.« Er deutete auf die Sammelbüchse.
»Oh ja, die Kirche hat es auch bitter nötig, in der Tat«, seufzte Mrs. O’Grady, »schon mein erster Mann Darragh Delaney, er war Pfarrer hier in Foley, vielleicht kannten Sie ihn ja –«
»Nein, ich glaube, ich hatte nicht das Vergnügen.«
»Jedenfalls, außer unserem Frauenverein kümmert sich ja niemand um die alte Kirche«, warf Polly vorwurfsvoll ein.
»Die neue Altardecke, das neue Kirchenfenster, der Blumenschmuck zu Weihnachten, alles mit Spenden finanziert», entgegnete Mrs. O’Grady nicht ohne Stolz, »ich bin die Schatzmeisterin, ich muss es wissen. Polly ist unsere Vorsitzende und Cecily unsere Protokollführerin.«
»Wie viele Mitglieder hat ihr Verein denn?«
»Drei.«
Nun, das war ja noch ausbaufähig. »Dann bezahlt der Frauenverein sicher auch die Restaurierung der Fresken, oder?«
»Natürlich.«
»Ich habe gestern zufällig Ihre nette Restauratorin kennengelernt.«
»Ach ja? Eine ganz reizende …«
»Polly, pass auf, du hast da eine Masche verloren!«
»Eine Masche? Wo? Ach, wie ungeschickt. Tja, wenn man nicht aufpasst …«
»Charl…ähm, Charlotte, nicht wahr?«
»Jaja, Miss Charlotte.«
Plötzlich herrschte angestrengtes Schweigen. Nur die unermüdlichen Stricknadeln klapperten durch den Raum, untermalt vom gelegentlichen Stakkato einer Geschützsalve aus dem Computer.
»Sie hat mir erzählt, dass sie hier aus dem Dorf ist.«
Keine Reaktion.
»Und dass sie mit Thomas Keane zur Schule gegangen ist.«
»Tatsächlich?«, entgegnete Fiona O’Grady bemerkenswert einsilbig.
»Charlotte …«, Fin tat, als müsse er angestrengt nachdenken, »ich hab leider ihren Nachnamen vergessen.«
Keine der drei Grazien fühlte sich angesprochen.
Er versuchte es direkt. »Ob Sie mir da wohl aushelfen könnten?«
Cecily knobelte gerade an einem besonders kniffligen Strickmuster. »Miss Charlotte?« Sie betrachtete ihre Arbeit mit höchster Konzentration. »Ja, wie heißt sie noch gleich …«
»Ist sie nicht Brendans Tochter?«
»Ja, aber sie hat doch nach Dublin geheiratet«, gab Polly zu bedenken.
»Die Ehe hat kein Jahr gehalten. Soviel ich weiß, ist sie schon wieder geschieden. Diese jungen Leute von heute …«
»Erinnert ihr euch noch an die kleine Emma?«
»Sean MacEvoys Jüngste? Aber natürlich.«
»Die hat auch geheiratet und ist nach Dublin gegangen. Und da hat dieser Nichtsnutz sie sitzenlassen. Mit Zwillingen.«
»Genau wie damals bei Aileen Brady, wisst ihr noch …«
Sie schweiften schon wieder ab.
Fin leerte seine Teetasse. Seltsam, dass die drei Damen so wenig über die Restauratorin wussten, die sie immerhin bezahlten. Aber vielleicht wollten sie ihm einfach nichts sagen, aus welchem Grund auch immer.
»Warum interessieren Sie sich so für Miss Charlotte?«, fragte Fiona O’Grady unvermittelt spitz, »ich dachte, Sie seien hinter Shergar her … oder sind Sie am Ende von der Polizei?«
»Aber Mrs. O’Grady, nehmen Sie doch nicht gleich das Schlimmste an.« Er lächelte und stellte seine Tasse sehr sorgfältig zurück. »Vielleicht habe ich ja ganz andere Gründe, mich für Miss Charlotte zu interessieren.«
Er erntete einen besonders argwöhnischen Blick und den gleich in dreifacher Ausfertigung. Hatte er was Falsches gesagt?
Fin verabschiedete sich zügig von seinen Gastgeberinnen und verließ das Postamt. Draußen regnete es noch immer, doch die Sonne war verschwunden. Er lief zu seinem Wagen und nieste. Mrs. MacCormacks Zimmer erschien ihm plötzlich wie die Verheißung des Paradieses.
Vorher wollte er noch in O’Connors Laden reinschauen. Ein Paar neue Schuhe kaufen. Und eine neue Flasche Whisky. Und dann musste er Nora Nichols auftreiben. Aber das hatte Zeit bis morgen.
Warum hatte Fiona O’Grady befürchtet, er sei von der Polizei, als er sich nach Charlotte erkundigt hatte?
10. Nora
Mad Dog MacGuire zeigte seinem Pferd die Peitsche. Angefeuert vom versammelten Gomball Clan jagte er auf dem weißgestiefelten Braunen mit der breiten Blesse über den schmalen Streifen Sandstrand am Meer entlang. Er musste schneller sein als sein Rivale, der riesige schneeweiße Schimmel, auf dessen Rücken sich eine Meerjungfrau tief in die Mähne gekrallt hatte.
Kein Wesen mit einem Fischschwanz konnte auf einem Pferd sitzen. Aber Fin musste das nicht verstehen. Nicht jetzt.
Der weiße Riese sah wie der sichere Sieger aus. Mit langen,
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