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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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Löffel hielt er inne, als er merkte, dass sie ihn beobachtete. »Naja, du darfst halt nicht so doll umrühren, weißt du …«
    Rasch verschanzte er sich hinter seiner Tasse, während sie sich eine Scheibe Brot mit Marmelade bestrich. »Der Toaster ist leider kaputt.«
    »Ist schon okay, ich krieg sowieso nichts runter.« Er nippte an seinem Kaffee.
    Eine Windböe ließ das Küchenfenster erzittern. Auch von hier hatte man einen ungehinderten Meerblick. Der Herd knackte leise vor sich hin. Von irgendwoher tönte kaum hörbar Musik. Eine Orgel. Diesmal erkannte Fin es auf Anhieb.
    »Du restaurierst die Kirche in Foley, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Die Fresken, um genau zu sein.«
    Fin erinnerte sich. »Charlie …«
    »Charlotte.«
    Wieder ein Blick aus diesen grünen Augen, der ihm ein unheimliches Kribbeln über den Rücken jagte. Das Grün eines schattigen Teiches in einem verwunschenen Wald, jenes unergründliche Grün, das wahrscheinlich so manchen Märchenprinzen in die Tiefe gezogen hatte.
    Er schätzte sie auf Mitte oder Ende dreißig. Sie war nicht das, was man allgemein als hübsch bezeichnete, aber auf eine spröde Art irgendwie schön. Sie trug kein Make-up, nicht mal Schmuck. Nicht sein Typ, wenn er ehrlich war, und doch ertappte er sich dabei, wie er sie immer wieder verstohlen anstarrte. Ihre Gesichtszüge schienen ihm merkwürdig vertraut. So als ob er sie von früher irgendwoher kannte. Vielleicht aus einem anderen Leben. Vielleicht aus einem Märchen, das ihm seine Großmutter abends am Bett vorgelesen hatte.
    Naja, er war ihr ja schon oft genug über den Weg gelaufen, seit er hier war. Und für die geheimnisvolle Aura hatte schon Nora Nichols mit ihren Meerjungfrauengeschichten gesorgt. Nicht dass er auch nur ein einziges Wort davon glaubte.
    »Bist du hier aus Foley?«
    Sie nickte, ließ sich aber zu keinen näheren Erläuterungen herab.
    »Und wie wird man hier Restaurator?«
    »Indem man in Galway Kunst studiert und später nach Dublin geht und ne Weiterbildung macht«, kam die knappe Antwort.
    Er war am klebrigen Bodensatz seiner Tasse angekommen und ließ die sirupartige Masse langsam in seinen Mund rinnen. »Gibts hier in der Gegend viel zu restaurieren?«
    »Die Arbeit an den Fresken in Foley wird noch etwa ein halbes Jahr dauern. Die Bezahlung stimmt und außerdem kann ich hier umsonst wohnen.«
    »Nicht gerade der Nabel der Welt.«
    »Mir gefällt es hier.« Sie leerte ihre Tasse. »Noch Kaffee?«
    Er nickte und hielt seine Tasse hin. »Hier hast du nicht mal ’n Handynetz. Als ich gestern Abend …«
    »Und wenn schon?« Sie goss Kaffee in beide Tassen. »Früher gabs so was gar nicht und da haben die Menschen auch gelebt.«
    »So was nennt man Fortschritt.«
    »Vor etwa fünf Jahren hat eine Mobilfunkgesellschaft drüben bei   Sliabh Draíochta   einen Mast aufgestellt. Die Leute in Foley wollten das Ding aber nicht vor ihrer Haustür. Strahlung und so, du weißt schon.« Ein kurzes Lächeln, das man durchaus als Zustimmung interpretieren konnte, blitzte über ihr Gesicht. »Jedenfalls haben sie den Mast eines Nachts einfach in die Luft gejagt. Kein Netzbetreiber hat es seitdem noch mal versucht.«
    Vielleicht dachten sie ja auch, dass man sie mit dem Funkmast überwachen könnte, vermutete Fin in aller Voreingenommenheit.
    Der Kaffee zeigte langsam Wirkung, das Hämmern in seinem Schädel ließ spürbar nach. Eine heiße Dusche wäre jetzt perfekt gewesen, aber er wollte die unverhoffte Gastfreundschaft nicht überstrapazieren. Er fragte sich, ob sie hier alleine lebte. Wieso ging sie das Risiko ein, über Nacht einen völlig fremden Kerl zu beherbergen? Auch wenn jener zum Zeitpunkt des Zusammentreffens eher tot als lebendig war. Hatte sie im Dorf gehört, dass er ein harmloser Tourist war?
    »Du bist nicht aus der Gegend, oder?«
    Fin versuchte sich auszurechnen, wie weit das Eis ihn tragen würde.
    »Ich lebe in Dublin«, räumte er bereitwillig ein, »meine Eltern stammen aus dem Norden.«
    »Hier aus Foley?«
    Er schüttelte den Kopf und überlegte, ob er ihr die Story mit der Ahnensuche auftischen sollte, entschied sich aber dagegen.
    »Und was hat dich in diese Einöde verschlagen, wo es nicht einmal ein Handynetz gibt?«
    Sie war mit einem Mal ausgesprochen neugierig. Auch so ein Charakterzug der Menschen aus Foley.
    Er ließ einen Versuchsballon aufsteigen. »Ich bin Journalist.« Wenn sie tatsächlich seinen Ausweis gefunden hatte, ließ sich das vielleicht an ihrer

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