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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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vermutlich aus dem Nicholsschen Garten. Er ließ das Fenster auf seiner Seite herunter und fuhr los.
    Sie verließen Foley in nördlicher Richtung. Keine fünfhundert Meter hinter dem Dorf bog er auf Noras Geheiß rechts ab. Der Weg war gerade so breit wie der Wagen und führte steil bergauf, bis er schließlich an einem Gatter endete.
    »Und jetzt?«
    »Na was wohl? Aussteigen, aufmachen, durchfahren, zumachen, weiterfahren«, schnaubte Nora in einer Wolke aus Marihuana.
    Fin seufzte. Er war plötzlich nicht mehr davon überzeugt, dass seine letzte Idee so gut war wie erhofft. Er stieg aus, öffnete das Weidetor, fuhr hindurch und schloss es artig hinter sich.
    Der Weg verkümmerte zu einem holprigen Feldweg.
    »Pass auf!«
    Fin trat im Reflex auf die Bremse.
    »Beinahe hättest du den kleinen Kobold überfahren!«
    Fin starrte entgeistert durch die Frontscheibe. Nach links. Nach rechts. Da war nichts. Nur Gras. Und Heidekraut. Und Schafscheiße.
    »Ist er weg?«, fragte er, eingeschüchtert wie ein Pennäler, den seine Lehrerin zusammengestaucht hatte.
    »Natürlich ist er weg!«, raunzte sie.
    Seine Hand zitterte leicht, als er den Gang einlegte und vorsichtig wieder anfuhr. Er zwang sich zu einem langen tiefen Atemzug. Fehlte noch, dass er Halluzinationen bekam.
    »Ist es noch weit?«
    »Weiß nicht.«
    »Wie?«
    Nora schaute durch das folienverklebte Fenster und paffte ungeniert vor sich hin. »Ist schon so lange her.«
    Auf halber Höhe des Hügels war vom Feldweg nur noch ein schmaler Trampelpfad übrig. Der Wagen rutschte über das nasse Gras und blieb mehrmals in schlammigen Pfützen hängen. Eine absolut bescheuerte Idee, dachte Fin, als die Reifen im Morast durchdrehten. Er setzte den Wagen zurück und nahm einen neuen Anlauf. Das Auto hüpfte über die Wiese wie ein neugeborenes Lamm. Etwas schrammte über den Unterboden, ein Ast, ein Stein, was auch immer, Hauptsache kein Kobold.
    »Da vorne ist es!« Nora deutete auf eine zusammengefallene Feldsteinmauer.
    Fin brachte den Wagen zum Stehen. Nora, erstaunlich flink für ihr Alter, war schon draußen, kaum dass er den Motor abgestellt hatte. Mit entschlossener Miene, als ginge es an die Besteigung eines Achttausenders, warf sie den halbgerauchten Joint ins Gras und erklomm den Steinhaufen.
    Fin beeilte sich, hinterherzukommen. Er konnte es nicht riskieren, dass sich Oma Nichols den Hals brach. Hilfe schien sie allerdings nicht nötig zu haben, trittsicher wie eine Bergziege kletterte sie über die Mauerreste. Kein Wunder, bei den klobigen Schuhen, die an der kleinen Frau wie Siebenmeilenstiefel wirkten.
    Fin stutzte.
    Nein, das war unmöglich …
    Beinahe wäre er in die alte Badewanne gefallen, die auf der anderen Seite der Mauer als Viehtränke aufgestellt war. Er konnte sich eben noch festhalten, indem er ein Stück rostigen Stacheldraht zu fassen bekam. »Mist, verdammter!« Eine blutige Schramme zierte seinen Handballen.
    »Hier ist es«, erklärte Nora ungerührt und umriss mit ihren Händen ein Stück Wiese, etwa zwei Quadratmeter groß, das haargenau so aussah wie der Rest der Wiese.
    »Was macht Sie da so sicher?«, fragte Fin zweifelnd und untersuchte seine Schürfwunde. Sicherheitshalber presste er sein Taschentuch drauf. »Es könnte ebenso gut … sagen wir, dort drüben sein.« Er deutete mit einer Kopfbewegung in die entgegengesetzte Ecke der Viehweide.
    »Was mich so sicher macht? Na, das da.« Die Alte zeigte wie beiläufig auf einen ausgebleichten Tierschädel, der neben der ausrangierten Wanne halbverdeckt im Gras lag.
    Fin war ehrlich verblüfft. Sollte es am Ende etwa so einfach sein, das Rätsel um Shergar zu lösen? Würde er, wenn er exakt an dieser Stelle zu buddeln anfing, am Ende tatsächlich die Knochen des teuersten Rennpferds aller Zeiten finden?
    Er bückte sich und hob den Schädel auf, um ihn näher zu betrachten. Er war kein Experte in Biologie. Für einen Schafskopf war das Ding eindeutig zu groß, für ein Rind zu schmal. Mit genügend Phantasie konnte es durchaus zu einem Pferd gehört haben. Zu irgendeinem Pferd.
    Aber da waren zwei kleine Löcher mitten auf der Stirn.
    »Also die Gomballs haben Shergar erschossen, oder?«
    »Bo Gomball und sein Zwillingsbruder Duffy.«
    »Haben Sie nicht gesagt, sie seien zu dritt gewesen?«
    »Richtig. Tully, ihr Cousin zweiten Grades, der war auch dabei.«
    Fin legte den Schädel auf die Mauer. Der weiße Knochen leuchtete in der Sonne. »Erzählen Sie mir doch noch mal, was Sie

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