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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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in dieser Nacht gesehen haben.«
    »Hab ich doch schon. Sie kamen mit einem großen Lkw. Haben den Gaul unten am Hafen ausgeladen. Beinahe wär er ihnen durchgegangen.«
    »Wie sah das Pferd aus?«
    »Na, wie ’n Pferd halt.«
    »Die Farbe«, fragte Fin geduldig, »war das Pferd vielleicht weiß? Ein Schimmel?«
    »Nee«, Nora schüttelte heftig den Lockenkopf, »dunkel.«
    »Schwarz?«
    »Dunkel eben. So genau konnt ich das nicht sehen. War doch mitten in der Nacht.«
    »Und dann?«
    »Dann sind sie mit dem Gaul verschwunden. Hier den Hügel hoch. Und dann hats geknallt. Zweimal.«
    »Und den Lkw haben sie im Meer versenkt?«
    »Genau.«
    »Die Gomballs?«
    »Genau.«
    »Ich dachte, die seien mit Shergar auf und davon?«
    »Na, da waren ja noch andere.«
    »Gomballs?«
    »Genau.«
    Fin hockte sich auf die Mauer neben den Pferdeschädel und kramte seinen Flachmann aus der Jacke. »Wer, Nora?« Er hielt ihr den Whisky hin.
    Die Alte ließ sich nicht lange bitten. »Da waren Ross und sein Sohn Milo, wenn ich mich recht erinnere.« Sie nahm einen erstaunlich langen Zug aus der kleinen Flasche und setzte sich zu ihm auf die Mauer.
    »Waren auch Leute aus Foley beteiligt?«
    »Nee, die Leute aus dem Dorf mögen die Gomballs nicht besonders.«
    Fin nieste. Seine Mutter hätte ihm jetzt erzählt, dass es alles andere als gescheit war, mit dem Hintern auf den kalten Steinen zu sitzen. Aber die Sonne wärmte umso angenehmer.
    »Und Ihr Bruder Joe? Immerhin hat er für den Aga Khan gearbeitet. Er kannte also Shergar, nicht wahr?«
    Nora sah ihn verständnislos an. »Agaka? Kenn ich nicht. Wer soll das sein?«
    »Oder waren am Ende sogar die Keanes mit von der Partie? Sie kennen doch sicher Jack und Thomas Keane?«
    »Grünschnäbel«, erklärte Nora ungerührt und setzte die Flasche wieder an.
    »Aber Joey hat diese Grünschnäbel gut gekannt.«
    Sie hielt mit dem Trinken inne. »Joey, ja …« In der Dämmerung des Fisherman war ihm nie aufgefallen, wie blau ihre Augen waren. Himmelblau. Meerblau. Veilchenblau. Das alles traf es nicht. Hustenbonbonblau. Die hellblauen, die Lily so gerne lutschte. Gletscherblau.
    »Er war damals dabei. Vor zehn Jahren. Als Thomas Keane ertrunken ist.«
    »Die Meerjungfrauen«, erwiderte Nora. Im klaren Licht der Novembersonne erschienen die Gräben in ihrem runzligen Gesicht wie eine Reliefkarte des Grand Canyon. »Die Meerjungfrauen, die haben ihn geholt, den kleinen Joey. Ich habe ihn immer gewarnt, er soll sich vorsehen. Er war nämlich ein hübscher Kerl, unser Joey. So was mögen die Meerjungfrauen.«
    »Hat Joey mal erzählt, was an Bord der Mairona passiert ist?«
    »Sagte ich doch. Die Meerjungfrauen, die waren schuld.« Sie nahm einen weiteren Schluck Whisky. »Genaugenommen war Fergal O’Toole schuld. Der Rote Fergal war auf Brautschau und die Schwestern Eilis und Maura von den MacKennas buhlten um seine Gunst. Und wie das bei Meerjungfrauen üblich ist, gönnte die eine der anderen nicht die Butter auf dem Brot.«
    Fin seufzte und blinzelte in die Sonne. Draußen auf dem Meer zog ein kleiner Kutter seine Heckwelle wie einen Kometenschweif hinter sich her. Ein Schwarm Möwen folgte ihm. Von hier oben sah es aus wie eine Wolke weißer Konfetti.
    Er machte sich auf eine längere Geschichte gefasst.
    »Joey war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich hab ihm immer gesagt, er soll nicht so weit nach Norden fahren. Eilis hat sein Schiff versenkt. Mit Mann und Maus. Nur um den Roten Fergal zu beeindrucken.«
    »Aber Joey und Jack wurden doch gerettet?«, hakte Fin nach.
    »Nein, keiner ist zurückgekommen. Die Meerjungfrauen haben sie alle mitgenommen«, aber Nora schien nicht wirklich traurig zu sein, »wer weiß, vielleicht geht es ihm ja gar nicht so schlecht dort, wo er jetzt ist.«
    »Thomas?«
    »Joey.«
    Die Alte warf alles durcheinander. Er nahm einen neuen Anlauf. »Nora, ich meine nicht das Unglück vor drei Jahren, ich meine den Brand auf dem Fischkutter vor zehn Jahren, hier ganz in der Nähe.«
    »Meerjungfrauen.«
    »Damals ist Thomas Keane verschwunden und nie wieder aufgetaucht.«
    »Vor zehn Jahren, sagst du?«
    Er nickte.
    »Vor zehn Jahren … Lass mich mal nachdenken.« Und Nora schien ernsthaft nachzudenken.
    Fin wartete. Beobachtete seine weiße Atemluft. Versuchte Kringel auszustoßen wie beim Rauchen. Es gelang ihm nicht.
    »Vor zehn Jahren, richtig, da stritt sich Siobhán mit dem Einäugigen Kieran um die Bucht bei   Trá Coiréal . Kierans Vater

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