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Die irische Wildkatze

Die irische Wildkatze

Titel: Die irische Wildkatze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Henley
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verzweifelt nach Luft. Ihre violettblauen Augen wirkten riesig in einem Gesicht, das so bleich wie bei einem Geist war. Ihre sorgfältige Fassade verschwand. »John«, flehte sie und streckte sehnsüchtig die Hand aus.
    Er sah, wie ihre Wimpern sich auf die Wangen legten und ihr Körper plötzlich schlaff wurde. Er fing sie auf, bevor sie den Boden berührte und hob sie in seine Arme. »Liebste.« Er schaute hinab in ihre zarten Züge, bemerkte die Schatten unter ihren Augen und wurde wieder von einem verzweifelten Bedürfnis überkommen, sie zu beschützen. Als er erkannte, dass es nicht nur eine flüchtige Ohnmacht, sondern völlige Bewusstlosigkeit war, zog Angst plötzlich seine Eingeweide zusammen. Er sah sich zwischen den verblüfften Umstehenden um und wusste, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als Hamilton zu suchen. Er drückte sie an sein Herz und zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sie zu ihrem Ehemann zu bringen. Das war das Schwierigste, was er je in seinem Leben vollbracht hatte.
    Campbell wusste, wo er Hamilton finden konnte; er war ebenso süchtig nach spielen wie nach trinken. Er trug Elizabeth nicht in den rauchgefüllten Raum, sondern stand mit seiner zarten Last an der Tür. Hamilton sah ihn sofort und kam herüber. Ihre harten Blicke trafen sich auf ein paar stürmische Sekunden, während derer Campbell den Drang unterdrückte, den Mann zu töten. In diesem Moment war die zivilisierte Hülle, die den wilden Highlander bedeckte, erstaunlich dünn. Er brauchte jede Disziplin, die er je gelernt hatte, um Elizabeth ihrem Mann zu übergeben. »Ich hoffe, sie bedeutet dir etwas, James.« Es war klar, dass er damit sagen wollte, dass er es bedrohlich fände, wenn sie ihm nicht genug bedeutete.
    Hamilton lächelte triumphierend. Es war für sie beide offensichtlich, dass sie wohl schwanger sein musste. »John, sie ist mein größter Schatz.«
     
    Elizabeth hätte es nicht für möglich gehalten, doch der Herzog von Hamilton nahm noch mehr gesellschaftliche Einladungen an. Wenn sie nicht bei Empfängen im St. James Palast oder den großen Häusern wie Leicester, Burlington und Devonshire waren, gaben sie selbst Feste im Hamilton House. Oft gingen sie vor einer der Galas zu einem Theaterstück oder in die Oper.
    Elizabeth spürte, wie sie mit jeder Einladung mehr an Lebenskraft verlor. Immer mehr wurde sie von Erschöpfung überwältigt. Sie hatte keinen Appetit und verlor überall am Körper Gewicht - außer an ihrem wachsenden Bauch. Ihre Ausdauer war deutlich reduziert und doch entschuldigte sie Hamilton an keinem Gesellschaftsabend, denn jetzt prahlte er nicht nur mit der bemerkenswerten Schönheit seiner Frau, sondern auch mit ihrer Schwangerschaft und damit seiner Männlichkeit.
    Sie schleppte sich lustlos durch die Saison, von Ball zu Fest zu Empfang. Äußerlich wirkte sie heiter, doch sie war innerlich voller Furcht, dass sie, wenn sie ihr gesellschaftliches Tempo aufrechterhielt, dem Kind unwiderruflich schaden würde. Darüber hinaus begegnete sie auch John Campbell nicht mehr. Zuerst war sie erleichtert, aber viel zu bald schon verwandelte sich ihre Erleichterung in Sehnsucht, und ihr Liebeskummer wurde beinah unerträglich.
    John Campbell war entschlossen, das goldene Band zu durchtrennen, das ihn mit Elizabeth verband. Ihr schönes Gesicht zu sehen, ihre Stimme zu hören, ihre Hand zu küssen, sie beim Tanz zu berühren, während ihr Duft ihm die Sinne verwirrte und dann zusehen zu müssen, wie sie mit Hamilton fortging, war eine Qual, die er sich nicht weiter antun wollte. Mit eiserner Entschlossenheit schwor er sich, sich selbst und Elizabeth nicht länger zu quälen.
    Sein Regiment wurde in den Dienst zurückgerufen, und er widmete seine Zeit den Soldaten, die er in Schottland rekrutiert hatte, verwandelte sie in seiner Majestät 98ste Argyllshire Highlander. Sie waren im März von Glasgow nach London gereist, doch trotz der Ausbildung, die sie bekommen hatten, wirkten sie immer noch wie Anfänger im Vergleich zu den disziplinierten und erfahrenen Veteranen, die er augenblicklich mit dem dritten Highlander-Regiment befehligte.
     
    »Charlie, du scheinst ja wirklich vor Gesundheit zu blühen!« Elizabeth gab ihrer Freundin einen Kuss und hob Dandy hoch, um ihn zu knuddeln. Burlington Gardens, das Haus von Charlotte und Will, war einer der wenigen Orte, die Hamilton Elizabeth allein zu besuchen erlaubte.
    »Ich wünschte, ich könnte dasselbe von dir sagen, Beth.«

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