Die irische Wildkatze
sofort die Eselin zurück zu ihrer Box. Es war düster im Stall, und Elizabeth rief, um festzustellen, ob jemand darin war. Als sie keine Antwort bekam, zündete sie eine Lampe an und leuchtete sorgsam in jede Ecke, um herauszufinden, ob irgendein Raubtier sich für eine schnelle Mahlzeit hereingeschlichen hatte. Dann kehrte sie zur Box der Eselin zurück und holte erschreckt tief Atem, als sie erkannte, dass der kleine Esel nicht da war. Sie hob die Laterne hoch, um Distel zu suchen, aber sinkenden Mutes wurde ihr klar, dass die Eselmutter vorher versucht hatte, ihrem Kleinen nach draußen zu folgen.
Sie war wütend über die Achtlosigkeit der Stallburschen und verärgert, dass niemand hier war. Dann musste sie sich eingestehen, dass jeder vernünftige Mensch sich an einem solch schrecklichen Tag im Haus und bei einem warmen Feuer aufhalten würde. Sie blies die Laterne aus und machte sich auf den Weg zur Tür. »Komm, Queenie, wir müssen Distel finden!« Diesmal schob sie den Stein mit den Stiefeln an die Tür und achtete darauf, dass sie auch fest zu war.
Als sie sich umschaute, konnte sie ihren Augen kaum glauben. Der Schnee trieb so stark, dass er nicht nur das Schloss, sondern sogar die näher gelegenen Nebengebäude unsichtbar machte. Jede Spur, die der kleine Esel hinterlassen haben könnte, war längst verschwunden, einschließlich ihrer eigenen Spuren von vorher. Aber Queenie rannte über die Schneewehen hinweg, als folge sie der Spur eines Tieres, und so zog sich Elizabeth die Kapuze fester um den Kopf, damit ihr der beißende Wind nichts anhaben konnte und entschloss sich, das Risiko einzugehen und den Instinkten des Hundes zu folgen.
Wegen des starken Windes und der dicht treibenden Schneeflocken wanderte sie mit gesenktem Kopf einher. Der Schnee blieb am Pelz ihres Mantels hängen und verwandelte sie in eine Schneefrau. Jedesmal, wenn Queenie unsichtbar wurde, rief sie ihren Namen, und der Hund kehrte zu ihr zurück. Sie kamen langsam voran, denn die Schneewehen schienen von Minute zu Minute tiefer zu werden. Am Anfang dachte sie, sie wüsste, in welche Richtung sie ging, doch als sie stehen blieb und versuchte, sich zu orientieren, schaffte sie es nicht. Die ganze Welt war weiß geworden.
Während sie langsam vorwärts kam, hörte sie immer wieder ein schreckliches Krachen und erkannte, dass hier und da die gefrorenen Äste der Douglas-Fichten abbrachen, weil die Schneelast zu groß wurde. Allmählich wurde ihr klar, dass sie ihre Suche aufgeben musste. Ihr schlichter Menschenverstand sagte ihr, dass sie umkehren müsste und versuchen, mit Hilfe der Spuren den Rückweg zu finden, bevor diese Spuren endgültig vom wehenden Schnee verschluckt wurden.
»Queenie! Queenie! Komm, Mädchen, wir müssen nach Hause gehen!«
Diesmal weigerte sich der Hund zurückzukommen. Obwohl Elizabeth sie durch den wilden Schneesturm nicht sehen konnte, hörte sie ihr aufgeregtes Bellen, als hätte sie etwas gefunden. Nach erneutem Abwägen beschloss Elizabeth, den Instinkten des Collies zu vertrauen. Bis sie es geschafft hatte, sich durch hohe Wehen zu der Stelle vorzuarbeiten, wo Queenie immer wilder bellte, war sie erschöpft und legte sich in den Schnee, um zu Atem zu kommen. Sie war eiskalt, aber ihre Lungen brannten.
Nach einer Minute Pause kroch sie auf Händen und Knien unter den Baum, wo Queenie buddelte wie eine Wilde. Sie schaute in das Loch hinunter, das der Hund in den Schnee gegraben hatte und sah darin Distels riesige, sanfte, braune Augen, umrandet von langen, mit Eis verklebten Wimpern, die sie voller Schrecken anstarrten. Elizabeth wusste, dass der kleine Esel, wenn sie ihn nicht befreite, von
Wölfen gefressen werden würde, ob er tot oder lebendig war. Sie begann den Schnee wegzuräumen, ihre Finger waren bald blutig.
Ein Krachen so laut wie ein Gewehrschuss unterbrach Elizabeth beim Graben, und sie schaute hoch. Zu ihrem Grauen sah sie einen riesigen, schneebepackten Ast auf sich zufallen. Dann wurde alles dunkel. In einem Augenblick wurde aus blendendem Schneeweiß Schwarz des Vergessens.
John Campbell erwachte, warf die dicke Daunendecke zurück, schwang seine langen Beine aus dem Bett und tappte nackt zum Fenster. Als er herausfand, dass es keinerlei Sicht gab, knurrte er zufrieden darüber, dass ihn sein Highlander-Instinkt in Bezug auf den kommenden Schneesturm nicht getäuscht hatte.
Er dachte an die Rekruten, die er nach London geschickt hatte. Wenn es ihnen gelungen ist, dem
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