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Die irre Heldentour des Billy Lynn

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Titel: Die irre Heldentour des Billy Lynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Fountain
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fühlt sich sein Stolz an. Zählt das auch? Sprechen wir eigentlich dieselbe Sprache? Stolz, ja klar, er denkt an Shroom und Lake und all die blutigen Wahrheiten jenes Tages und durchwühlt sein Hirn nach irgendeinem quantentheoretischen Nachweis für Stolz . Ja, Ma’am, Stolz, wir Bravos haben Stolzhöhen erklommen, von da aus kann man Berge versetzen und den Mond aus der Bahn kegeln, aber warum bitte wird vor Spielen eigentlich die Nationalhymne gespielt? Die Dallas Cowboys und die Chicago Bears sind zwei gewinnorientierte Unternehmen der Privatwirtschaft, und was da unten auf demSpielfeld rumläuft, sind deren vertragsmäßige Angestellte. Spielt die Nationalhymne doch gleich vor jedem Werbespot, vor jeder Vorstandssitzung, jedes Mal, wenn ihr bei der Bank Geld einzahlt oder abhebt!
    Aber Billy gibt sich wieder Mühe. »Ich bin voller Stolz«, sagt er, und die Frauen schreien auf, es folgt ein watteweiches Handgemenge, jede Menge Getätschel und Gegrabbel und Handygeknipse, drei, vier Gespräche laufen durcheinander, und nicht nur eine Frau vergießt echte Tränen. Es ist ein tiefes Gruppenerlebnis und kaum auszuhalten, aber endlich löst sich Der Moment auf, Billy lockert das Kinn wieder und macht sich auf den Weg zur unteren Ebene, denn die ist wie der Hügel bei Custers Rückzug am Little Bighorn der einzige Ort, wo er hinkann. Er muss nur durch eine lächelnde und winkende Menge. Jemand hält ein Glas hoch, er nimmt es entgegen und merkt erst später, dass der Jemand damit nur winken wollte. Endlich ist er bei den Stadionsitzreihen und geht die Treppe hinunter. Drei Bravo-Kameraden kauern in der untersten Reihe, dies ist jetzt ihr Unterstand, eine kleine Redoute inmitten dieser Meute bedrohlich überstimulierter Zivilisten.
    »Lieber Gott«, sagt Billy und lässt sich auf den Sitz fallen.
    Die andern Bravos knurren. Heldsein macht einen alle.
    »Die Bears haben den Münzwurf gewonnen«, meldet A-bort. »Schon fünfzig Yards Vorsprung, Jungs.«
    Holiday schnaubt. »Kannste sagen, A. Haben die Schirientscheidung clever genutzt.« Er dreht sich zu Billy. »Wo is’n Lodis?«
    »Noch oben.«
    »Und macht’n Affen?«
    »Er kommt klar. Irgendwas raus wegen der Halbzeit?«
    Die anderen schütteln grimmig den Kopf. Sie spüren es alle, es ist kein normales Lampenfieber, es ist das bei allen Soldaten eingebaute Grauen vor einer Vergeltung in kosmischen Dimensionen.Zwei Wochen mit lauter Events haben sie bisher erstaunlich pannenfrei durchgezogen, könnte also gut sein, dass der natürliche, ja sogar notwendige Höhepunkt der Victory Tour – als hätten sie ihn sich extra aufgespart! – die Mutter aller Blamagen wird, landesweit im Fernsehen.
    Die Cowboys schießen den Ball zu den Bears. Bah, Touchback. Die Bears brechen gleich an der Zwanzig-Yard-Linie durch drei Verteidiger, in der Mitte durch zwei weitere, dann ein Wechsel mit Haken auf die schwache Cowboys-Seite, durch noch vier, aber jetzt kommt die Flagge. Zwischen den Spielzügen kann man eigentlich nur auf die dämliche Werbung auf der Stadionleinwand gucken und sich Sorgen wegen der Halbzeit machen.
    »Findet ihr das nicht unhöflich von uns?«, fragt Mango
    Alle sehen ihn an.
    »Dass wir hier für uns sitzen. Uns nicht unter die Leute mischen oder so was.«
    »Scheißunhöflich«, sagt Day.
    »Wir können ja’n Schild hochhalten«, schlägt A-bort vor. »›Traumatisierte Veteranen. Nicht ansprechen‹.«
    Sie sehen ein paar Spielzüge lang zu. Mango stöhnt ständig vor sich hin und krümmt sich. »Football ist langweilig «, verkündet er schließlich. »Is euch das schon mal aufgefallen? Immer bloß Start, Stop, Start, Stop, macht höchstens fünf Sekunden Spiel pro Minute Rumstehen. Eine öde Scheiße.«
    »Kannst ja gehen«, erklärt Holliday. »Hat kein Mensch gesagt, dass du hier sein sollst.«
    »Nein, Day, ich muss hier sein. Ich muss da sein, wo die Army mich haben will, und das ist jetzt gerade hier.«
    Die Bears geben ab mit einem mächtigen Punt. Die Cowboys gehen zurück auf 26 Yards. Dann erst mal eine lange Wartepause, die Chaingang kommt messen, der Ball wird neu platziert ... Offense und Defense trudeln aufs Feld. Die Offenseabteilunggluckt zusammen, die Defensespieler rennen durch die Gegend, schnaufend und keuchend und mit den Händen auf den Hüften. Verdammt noch mal, denkt Billy, Mango hat recht. Zwischen den Spielzügen sitzt man rum wie in der Kirche, wenn auf der Leinwand nicht dauernd dieses infernalische Geplärre liefe,

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