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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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mit Leben füllen würden? Sie hätten doch etwas rücksichtsvoller sein können. In diese Ausflüchte vertieft, begann er in einem der Kartons zu wühlen und zog ein Wandthermometer in Form eines Polarsterns hervor, er wusste nicht mehr, wann und wo sie es hatten mitgehen lassen. Er legte es am Fenster auf den Boden und sah dem Quecksilber zu, wie es tiefer und tiefer sank, bis es endlich anhielt. Zehn Grad! Und dazu diese Feuchtigkeit! Wenn er nicht aufpasste, würde er sich eine Lungenentzündung holen. Er musste unbedingt einen Ofen kaufen. Die Fensterscheiben waren dünn wie Zigarettenpapier. Er zog seinen Anorak an und trat eine Weile von einem Fuß auf den anderen, um sich zu wärmen. Dann ging er in den Raum, der zum ehelichen Schlafzimmer werden sollte, und bereitete sich ein Bett, mit der Matratze auf dem Boden, allen Decken, die er hatte, und noch zwei Badetüchern. Wenn ihm dort immer noch kalt wäre, würde er in seinen Kleidern schlafen. Er sah auf die Uhr und wunderte sich, dass es erst halb zehn war. Die Zeit raste nicht in diesem Iglu. Die beste Wärmequelle für den Körper, so entschied er, wären nun ein, zwei Gläser Cognac, und er ging hinaus, um nach einer Bar zu suchen. Vorher, vom Lieferwagen aus, hatte er eine gesehen, ein Stück die Straße hoch, Ecke Carrer d’Almansa. Als er dort ankam, wischte der Wirt schon die Theke ab. Sonst war niemand da. Bundó klopfte an die Glastür und machte die Geste des Trinkens. Der Wirt nickte, ohne sich vom Fleck zu bewegen.
    Eine Stunde später, vor sich im Glas den vierten Veterano – den letzten, denn nun wollte der Wirt wirklich schließen –, fiel Bundó der Telefonapparat am anderen Ende der Theke ins Auge. Er ging hin und wählte Carolinas Nummer. Ein Ferngespräch von hier aus würde ihn ein Vermögen kosten, aber das war ihm egal, er wusste, sie würde nicht abheben. Um diese Zeit arbeitete sie . Er lauschte dem leisen Tuten ihrer Abwesenheit, und da das Geräusch ja aus Frankreich kam, reichte es ihm aus, um sich seiner Braut ein wenig näher zu fühlen. Dann tat er etwas, was nicht zu ihm passte. Er wählte die Nummer der Pension. Beim vierten Klingeln nahm Frau Rifà den Hörer ab.
    »Kann ich mit Gabriel Delacruz sprechen?«
    »Wer spricht denn da?«
    »Ein Freund … Na ja, ich bin’s, Bundó.«
    »Sieh an, Bundó! Hast du dich verlaufen, oder was? Warte, ich sage ihm Bescheid.«
    Einige Sekunden verstrichen. Durch den Hörer drang ein ungewohnter Hintergrundlärm, ein Geschrei, wie man es zu so später Stunde in der Pension nicht zu erwarten hatte. Da fiel ihm ein, dass ein junger deutsche Maschinenbauer, der für die Fabriken von Can Fabra Webstühle montierte und deshalb ein paar Wochen in der Pension wohnte, erzählt hatte, seine Frau stehe kurz vor der ersten Niederkunft. Seit Tagen war er ein Nervenbündel, und er hatte versprochen, wenn es Neuigkeiten gäbe, würden sie mit Champagner auf die Gesundheit von Mutter und Kind anstoßen. Bundó legte auf, ehe Gabriel ans Telefon gekommen war. Er überredete den Wirt, ihm noch einen Cognac einzuschenken, komm schon, der allerletzte, dann ab nach Hause. Er brauchte das, um sich die Kälte zu vertreiben. Die Nacht im Iglu war lang.
    Am nächsten Morgen kam er mit verstopfter Nase und Augenringen bei La Ibérica an. Gabriel fragte ihn nach seinem Anruf am Abend, ob er aufgelegt habe oder die Verbindung unterbrochen worden sei, oder ob er einen Witz habe machen wollen. Bundó konnte sich an nichts erinnern. Eine gute Stunde hatte er für den Weg von der Bar nach Hause gebraucht, und die ganze Nacht hatte ihm, zu seinem Glück oder Unglück, das Brennen im Magen die einsame Kälte vertrieben.
    An diesem Tag standen nur Umzugsfahrten in Barcelona an, mit dem DKW. Petroli war wegen seines wochenlang ignorierten Ischias krankgeschrieben. Für ihn sprang Tembleque ein und unterhielt die beiden Freunde bis zum Feierabend mit der ihm eigenen Anmut, gerade so wie in ihrer ersten Zeit in der Firma. Nun, da er kurz vor der Rente stand, verteilte er seine Zurufe an die Weiblichkeit großzügiger denn je, gleich ob es sich um junge Mädchen, Greisinnen oder Schaufensterpuppen handelte. Er hupte, pfiff und schrie wie ein Neapolitaner, er grüßte die Verkehrspolizisten wie alte Bekannte, die ihm noch Geld schuldeten. Und als es ans Entladen ging, konnten sie sich überzeugen, dass sich an seinen Ausflüchten in acht Jahren nichts geändert hatte. Hob er zufällig doch einmal selbst eine Kiste hoch,

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