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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Parma. Elisa, die Produktionssekretärin, sitzt am Steuer, neben ihr Michela, meine Regieassistentin. Hinten sitzen Roberta, verantwortliche Programmredakteurin und ich. Gianluca, der Tontechniker, und die Kameraleute sind mit dem Zug gefahren.
    Sobald wir Parma erreichen, legen wir unseren obligatorischen Stopp im Gran Caffè Orientale ein. Jedes Mal, wenn ich hierherkomme, in dieses typische Belle-Époque-Ambiente, bestelle ich »meinen« Cappuccino, also nicht einfach nur den klassischen mit aufgeschäumter Milch. Nein, hier trinkt man ihn anders, man fügt immer ein paar besondere Zutaten hinzu, die ihn ungewöhnlich und einzigartig machen. Ein Beispiel: Cappuccino »orientalisch«:
    100 ml frisch gebrühter starker Kaffee
    200 ml Vollmilch
    2 Esslöffel Zucker
    1 Esslöffel ungesüßter Kakao
    1 Prise gemahlener Zimt
    1 Gewürznelke
    1 Prise Muskatnuss
    1 Prise Vanille oder einige Tropfen Vanilleextrakt
    Etwas Orangenschale
    Probieren Sie es aus! Und von Cappuccino verstehe ich etwas, das kann ich in aller Bescheidenheit sagen.
    Einer der Stammgäste des Gran Caffè Orientale ist Mino. Er ist von Kindesbeinen an eingefleischter Opernfreund und hat die größten Opernsänger der Welt kennengelernt. Als Luciano Pavarotti im Teatro Regio in Parma sang und vor den Proben ins Gran Caffè Orientale kam, unterhielt er sich öfter mit ihm.
    Er ist ein echter Loggionista , wie jene Opernbegeisterten und -kenner heißen, die meist von der Galerie aus die Vorstellungen verfolgen. Für die einen sitzen hier oben auf den billigen Rängen nur überkritische und »grausame« Zuschauer, für die anderen die wahren Musikliebhaber. Mino, genannt »Holzbein«, ist eine legendäre Figur hier in Parma, denn er kennt nicht nur jede einzelne Note, die Giuseppe Verdi in seinem Leben je geschrieben hat, sondern weiß auch alles über Forellen und andere Lachsfische. Eines Tages, nachdem er mich an einem strahlenden Sonnentag auf eine Tour durch die Bassa, ein Gebiet in der Poebene, führte, hat er mich zuerst nach Busseto gebracht, um dort Verdis Geburtshaus zu besichtigen, und dann nahm er mich zum Angeln mit. Er liebt den Fischfang, und obwohl er nur ein Bein hat, ist er in allem sehr geschickt. Er klettert auf Bäume, rudert wie ein junger Gott und segelt verwegen dahin wie die Hollywoodschauspieler in diesen Piratenfilmen, in denen sie von Mast zu Mast springen. In jungen Jahren war er in eine Österreicherin verliebt (und ich glaube, im Grunde seines Herzens ist er das heute noch), und wenn ihr Geburtstag naht, das hat er mir mehr als einmal erzählt, versucht er alles, um genügend Geld aufzutreiben, damit er ihr fünfzig rote Rosen schicken kann. Mino hat in seinem Leben nie viel Geld gehabt, heute ist er Rentner, und vorher hat er Tapeten verkauft. Oft sitzt er mit einem Mann seines Alters zusammen, einem gewissen Tino, einer weiteren Legende des Gran Caffè , der eine künstliche Hand hat. Noch heute gehen sie, sooft sie können, zum Angeln zu den reichen Fischgründen am Baganza, der durch das gleichnamige Tal in der Umgebung Parmas fließt.
    ~ ~ ~
    Ich bin im Teatro Regio. Zwei Fernsehkameras stehen aufnahmebereit in den kleinen Logen links und rechts von der Bühne, eine mitten im Zuschauerraum, eine im Orchestergraben und eine ist zwischen den Kulissen. Ich sitze auf der Galerie neben Mino, genau wie ich es gehofft hatte.
    Stimmengewirr im Zuschauerraum. Das Orchester im Graben stimmt seine Instrumente (ich liebe das!). Als der Dirigent erscheint, braust reichlich Beifall auf. Alles ist bereit für die Premiere von Simon Boccanegra . Die Lichter verlöschen. Darauf wird es leise. Die übliche erwartungsvolle Stille, bevor sich der Vorhang hebt. Hier und dort hört man vereinzelt halbherzige Pfiffe aus den Logen, sie gelten wohl dem Bürgermeister und seiner Gattin, die gerade die Ehrenloge betreten haben. Seltsam, die Stille zieht sich länger hin als sonst. Der pompös elegante Vorhang will sich nicht heben …
    Mino flüstert mir ins Ohr, dass irgendetwas passiert sein muss. Der Dirigent stützt sich mit dem rechten Arm am Pult ab, anscheinend ist ihm schwindelig. Wieder legt sich dieses unheilschwangere Schweigen über das ganze Theater. Minuten, die sich endlos lang hinzuziehen scheinen. Ich schalte das Mikrofon an meinem Kopfhörer ein und weise Michela an, die Aufnahme zu stoppen. Der Maestro sackt auf dem Boden zusammen. Er ist kaum bei Bewusstsein.
    Plötzlich stürzen, als hätte man einen Film angehalten und kurz

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