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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Diejenigen, die einen Mittelweg und den Ausgleich suchen, können sich leider nicht so leicht Gehör verschaffen. Mit keiner der beiden verbohrten Einstellungen lassen sich die Probleme dieser wunderschönen »italienischdeutschen Region« lösen. Ach übrigens, sollte man sie korrekterweise nicht lieber so nennen?
    Schließlich gehörte Südtirol bis 1919 zu Österreich und wurde erst nach der Zerschlagung des Habsburgerreiches Italien als einer der Siegermächte des Ersten Weltkrieges zugesprochen. Ein paar Jahre später, nachdem Mussolini an die Macht gekommen war, wurde das Gebiet »zwangsitalienisiert«. Das heißt, alle wichtigen Posten wurden nun mit Italienern aus dem Süden besetzt und alle Namen von Orten, Bergen, ja jedem kleinen Bächlein wurden mit teilweise recht lächerlichen Ergebnissen ins Italienische übersetzt. In den Schulen unterrichten bloß noch Italiener, alles Deutschsprachige wurde ausgemerzt oder unterdrückt, nichts durfte mehr an die unitalienische Vergangenheit erinnern. Und diese schlimme Zeit der Demütigung können viele »Deutschstämmige« aus Südtirol bis heute kaum vergessen.
    Inzwischen ist Südtirol ein Gebiet mit einem Sonderstatus, der ihm weit mehr Autonomie und finanzielle Mittel garantiert als anderen Regionen Italiens. Hier gilt »Zweisprachigkeit«, das bedeutet, wer für die Gemeinden, die Provinz oder die Region arbeiten will, muss sowohl Deutsch als auch Italienisch beherrschen. Was nun wiederum dazu führt, dass die Italiener sich benachteiligt fühlen. Ich habe zum Beispiel von einem Herrn aus Bologna gehört, der ein Ferienhaus in Südtirol besitzt. Er hat ein Faible für alles Deutsche, beherrscht auch ganz passabel die Sprache, aber wenn er von seinen Wochenenden in Südtirol zurückkommt, ist er immer ein wenig frustriert und klagt: »Dieda« – damit meint er die Südtiroler deutscher Muttersprache – »lassen mich immer spüren, dass ich Italiener bin.« Er möchte zu ihnen gehören, aber sie lassen ihn nicht. Sie behandeln ihn »als Italiener«, das bedeutet mit einem gewissen höflichen Abstand. Aus seinen Erfahrungen habe ich begriffen, dass das Zusammenleben zwischen »Italienern« und »Deutschen« in Südtirol immer noch nicht richtig funktioniert. Schade eigentlich!
    Es wäre doch so schön, wenn sie etwas teilen könnten in dem Bewusstsein, dass es ihnen beiden gehört. Italien ist wirklich ein wunderschönes Land, was mir mit jedem Tag mehr bewusst wird. Ich danke Gott, dass ich hier geboren bin, aber ich kann auch nicht vergessen, dass dieses Land zuvor schon anderen Leuten gehörte. Und würde nicht gerade dieses »glückliche« Zusammenleben der unterschiedlichsten Bürger – wenn jeder die Identität des anderen achtet – meine Heimat zum »schönsten Land der Welt« machen? Ich hoffe es wirklich.
    Oder ist das vielleicht auch nur eine Fata Morgana?

18.
    KALABRIEN
    1981
    Der Vater meines Freundes Pasquale war schon immer ein glühender Verehrer des heiligen Andreas, des Schutzpatrons der Fischer und auch des winzigen Dorfes in der Provinz Reggio Calabria, in der die Familie meines Mitbewohners und Kollegen an der Schauspielakademie zu Hause ist. Seine Liebe zu dem Heiligen ging so weit, dass er dieses Jahr zur feierlichen Prozession, bei der die Reliquien durch den ganzen Ort getragen werden, alle um sich haben wollte. Und mit alle meine ich wirklich jeden: Ehefrau, Tochter, Sohn nebst Freunden, also auch mich. Selbst Hunde und Katzen, wenn es die gegeben hätte, hätten teilnehmen müssen.
    Nun ja, das mit dem Sohn war kein Problem, denn Pasquale fuhr sowieso alljährlich um diese Zeit aus Rom in sein Heimatdorf, um seine Familie zu besuchen, und dieses Jahr begleitete ich ihn eben auf eine Woche Ferien in Kalabrien.
    Erst wenige Tage vor dem feierlichen Ereignis waren der Pfarrer, der Bürgermeister und Pasquales Vater in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kirchenvorstands von einer offiziellen Mission nach Brasilien zurückgekehrt, wo sie die Städtepartnerschaft mit einer kleinen Gemeinde in der Region São Paulo mit der Präsentation einer Reliquie des Schutzheiligen hatten besiegeln wollen. Ein bedeutsames Ereignis für die vielen Migranten mit kalabrischen Wurzeln in Südamerika, aberauch für die tiefgläubigen Brasilianer, die zu Ehren der Delegation und des Heiligen ein dreitägiges Fest veranstaltet hatten.
    Allerdings hatten sowohl der Bischof als auch das Landesdenkmalamt etwas dagegen, dass der berühmte, in einem

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