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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Fahren über das Meer wird – nach seinen Worten – zu »einem Tag auf dem Meer«, was sich deutlich von dem allgemein üblichen »Tag am Meer« unterscheidet. Über das Meer gleiten: im Wasser nach dem Spiegelbild des Landes suchen, den Arm ausstrecken, um die Gischt zu berühren und um den kräftigen Salzgeschmack auf den Lippen zu spüren, die Gewalt oder die Sanftheit der Wellen auf der eigenen Haut. Wir fahren Richtung Cala Junco, der südlichsten Spitze der Insel, wo ein wunderbarer Strand hinter fächerartig im Meer angeordneten Vulkanfelsen liegt.
    Wir segeln dahin. Einige Möwen schweben dicht über der Wasseroberfläche, anderen trippeln über die Felsen. Da lehnt sich Pasquale über den Bug und deklamiert Homer:
    »Und wir kamen zur Insel Aiolia. Diese bewohnte Aiolos, Hippotes’ Sohn, ein Freund der unsterblichen Götter. Undurchdringlich erhebt sich rings um das schwimmende Eiland eine Mauer von Erz, und ein glattes Felsengestade. ... Aiolos gab mir, verschlossen im dichtgenäheten Schlauche vom neunjährigen Stiere, das Wehn lautbrausender Winde. ... Vor mir ließ er denHauch des freundlichen Westes einherwehn, dass sie die Schiff‘ und uns selbst heimführeten. Aber dies sollte nicht geschehn; ... in der zehnten Nacht erschien uns das heimische Ufer, das wir schon in der Nähe die Feuerwachen erblickten. Jetzo schlummert’ ich ein, ermüdet von langer Arbeit; ... Und sie lösten den Schlauch, und mit einmal entsausten die Winde. Plötzlich ergriff sie der Sturm, und schleudert’ weit in das Weltmeer hin die Weinenden, ferne vom Vaterlande ...« [2]
    Als die Möwen uns bemerken, fliegen sie los zu weiter entfernten Klippen. Nur eine bleibt schlafend auf dem Fels zurück. Ein paar Minuten wird sie mit uns die Stille und die morgendliche Kühle teilen. Wir segeln weiter zu einer anderen Insel. Auf dem Sand entdecken wir die Spuren der Möwen. Keiner stört uns, als wir von Bord gehen, wir können frei zwischen der Sonnenseite und der im Schatten wählen. Für eine ganze Weile gehört uns dieser Platz allein, um den Salzgeruch und das Rauschen der Wellen zu genießen.
    Doch uns ist kaum eine Stunde Einsamkeit vergönnt, als auch schon Touristen »unseren« Strand in Besitz nehmen, sie kommen mit dem Tretboot hinter den Felsen hervor. Also ziehen wir uns auf die Felsen zurück, von denen man einen herrlichen Blick über die ganze Bucht hat. Von unserem Aussichtspunkt sehen wir, wie sich die kleine, vormals stille Bucht mit Stimmen und bunt gekleideten Leuten füllt. Und es wird heiß. Deshalb halten wir es dort nicht lange aus und steigen langsam die steilen Pfade hinunter, wir sind auf dem Rückweg. Andere Touristen kommen uns entgegen, wir lassen sie vorbei, einer fragt: »Wie ist es denn da oben? Stimmt es, dass Odysseus einmal hier gewesen ist?« Ich bleibe kurz an einem Zaun stehen und versuche, diesen unglaublichen Anblick für die Ewigkeit festzuhalten.

20.
    SIENA
    2008
    Wo wir gerade von Winden sprechen. In ganz Italien gibt es immer wieder ziemlich zugige Stellen: Im Sommer ist eine frische Brise natürlich angenehm, im Winter pfeift einem aber ein eisiger Hauch mit kräftigen Böen um die Ohren. Eine Legende mit regionalen Varianten erklärt, warum das so ist. In Florenz erzählt man sich zum Beispiel, dass sich einmal am Gebirgszug des Pratomagno der Wind und der Teufel begegneten und miteinander redeten: »Guten Tag, Teufel.« – »Guten Tag, Wind.« – »Wohin des Wegs?« – »Ach, nach Florenz.« – »Oh, das ist auch mein Ziel. Wollen wir ein Stück des Weges gemeinsam zurücklegen?« Und so machten sie sich auf die Reise und sprachen über dies und jenes. In Florenz angekommen, meinte der Teufel: »Ich habe noch eine Kleinigkeit bei den Pfaffen im Dom zu erledigen, würdest du kurz auf mich warten? Ich komme gleich wieder.« – »Geh ruhig«, sagte der Wind. »Ich warte hier auf dich.« Er band sein Pferd am Zaun bei Giottos Campanile fest und setzte sich auf die Stufen vor dem Dom. Der Teufel hatte dann doch noch einiges mit den Domherren zu besprechen, sie gingen gemeinsam essen und luden ihn ein, bei ihnen zu übernachten. Danach hatte er wieder so viel zu tun, dass er den Wind ganz vergaß, der immer noch auf ihn wartete: Ab und an erhob er sich und ging ein wenig auf und ab, denn er war die Warterei allmählich leid, doch dann setzte er sich wieder und pfiff vor sich hin ... Auch in Siena harrt der Windmittlerweile seit Jahrhunderten auf der Piazza del Campo aus und bewegt

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