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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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weiß ich, wer es ist.
    »Clair!«, rufe ich.
    Sie läuft weiter. Ich bin jetzt auf der unebenen Wiese und versuche, mit ihr Schritt zu halten. Ein paar Minuten später hat sie die Festungsmauer erreicht und verschwindet im Schatten wie ein Stein in einen schwarzem Teich. Sie ist da und dann plötzlich nicht mehr.
    Als ich die Mauer erreiche, ertasten meine Hände kalten, glatten, schwarzen Stahl. Keine Kante oder Furche markiert einen Eingang. Dann sehe ich ihre Fußabdrücke, kleine silberne Tupfer im nächtlichen Tau, die an der Mauer entlang zum Eckturm führen. Ich folge ihnen bis zu einer Tür, ziehe sie auf und bin im Turm. Ihre Stiefel poltern laut die Wendeltreppe hinauf.
    Sie ist nicht im Turmzimmer, aber eine Tür zur Krone der Festungsmauer steht offen. Als ich hinaustrete, wartet sie ein Stück entfernt auf der Mauer auf mich, den Blick auf die mondbeschienenen Berggipfel gerichtet.
    Auch als ich ein paar Meter entfernt von ihr stehen bleibe,dreht sie sich nicht zu mir um. Ihr Atem geht gleichmäßig und ruhig.
    Als sie sich mir schließlich zuwendet, glänzen ihre Augen feucht.
    »Ich wusste, dass du es warst«, sagt sie. »Du bist genau so, wie dein Vater dich beschrieben hat.«

33
    »Was?«, stottere ich. Mir schießen zu viele Gedanken auf einmal durch den Kopf. Als ich zu ihr gehe, werden meine Knie plötzlich weich.
    »Seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe«, sagt sie mit einem traurigen Lächeln, »wusste ich, dass du sein Sohn sein musst.«
    »Er hat dir von mir erzählt?«
    »Ich wusste, dass es keiner von den anderen Jungen sein konnte – sie sind viel zu jung. Und der ältere Junge – Epap – sah einfach nicht richtig aus. Aber du. Dieselbe Entschlossenheit im Blut. Denselben Blick, gleichzeitig wütend und traurig.«
    »Clair, wovon redest du?« Ich packe ihren Ellbogen. »Woher weißt du das alles?« Sie wirkt plötzlich verängstigt, und ich lockere meinen Griff.
    »Hast du den Ursprung?«, fragt sie. »Ich verspreche, ich erzähle dir alles, aber bitte sag mir: Hast du den Ursprung?«
    Ich lasse ihren Arm los. »Ich weiß es nicht. Ich bin mirnicht sicher. Aber erzähl mir, was hier los ist. Erklär mir alles.«
    Sie blickt über die dunklen Weiden, die zu einem schwarzen Abgrund hin abfallen. Hier und da ragen große Felsbrocken aus dem Boden. »Ich habe nicht viel Zeit«, sagt sie. »Man ist uns gefolgt. Man ist dir gefolgt. Heute Nacht auf dem Bahnhof hast du die Ältestenschaft wirklich verärgert.«
    »Sie werden darüber hinwegkommen.«
    »Das werden sie nicht, glaub mir.«
    »Mach dir keine Sorgen, okay? Niemand ist uns gefolgt. Hör auf, dir einzubilden …«
    » Mir ist keiner gefolgt. Ich war still wie eine Maus. Aber dir ist jemand gefolgt. Du warst so unauffällig wie eine ins Tal donnernde Lawine.« Sie zeigt auf eine Gruppe von Hütten. »Siehst du da drüben, die beiden Leute, die jetzt in unsere Richtung kommen?«
    Sie hat Recht. Zwei graue Umrisse verlassen mit gesenkten Köpfen vorsichtig den gepflasterten Pfad. Sie folgen uns. »Dann beeil dich«, dränge ich sie.
    Ohne zu zögern, beginnt sie zu sprechen, ihre Gedanken sind geordnet, die Sätze fließen, als hätte sie sie einstudiert. »Er hat mir gesagt, dass dieses Lied seinen Sohn herauslocken würde, dass es ein narrensicherer Filter sei. Und er hatte Recht.« Sie lächelt. »Ich habe es jeden Tag still im Kopf geübt, damit ich es nicht vergesse.«
    »Warum hast du so lange gewartet? Ich bin doch schon seit ein paar Tagen wieder auf den Beinen.«
    »Glaub mir, ich hab es versucht. Aber ich konnte das Lied ja schlecht von den Dächern trällern. Der Text ist subversiv, die Älteren hätten mich gnadenlos darüber ausgequetscht. Nein, ich musste auf eine passende Gelegenheit warten.«
    »Heute Nacht.«
    »Nicht gerade ideal, nachdem wegen des Zwischenfalls am Bahnhof ohnehin alle extrem angespannt sind. Aber da eure Abfahrt in die Zivilisation unmittelbar bevorsteht, hatte ich keine andere Wahl.«
    Ich blicke auf die Weiden. Die beiden Männer betrachten gebückt den Boden und gehen dann auf die Festungsmauer zu.
    »Beeil dich«, dränge ich noch einmal, »erzähl mir alles.«
    Sie atmet tief ein. »Die Mission wurde vor vielen Jahrzehnten erbaut …«
    »Spul gleich vor bis zur spannenden Stelle. Stell dir vor, wir wären schon fünf Minuten weiter in unserem Gespräch. Sag mir, was hier los ist.«
    Sie schüttelt den Kopf. »So einfach ist das nicht. Ich muss dir von …«
    Ich atme lautstark aus.

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